Deutschland-Debüt: KIRA schickt Elektro-Robotaxis mit Testnutzern auf die Straße

Die selbstfahrenden Elektroautos das ÖPNV-Pionierprojekts KIRA sind in Deutschland zum ersten Mal mit Fahrgästen unterwegs. In zwei Kommunen im Kreis Offenbach navigieren die Robotaxis ab sofort mit Testnutzern an Bord erstmals per Automatisierungslevel 4 durch den normalen Straßenverkehr.

Bild: KIRA

Kunden können die Shuttles in der Stadt Langen und in der Gemeinde Egelsbach im Kreis Offenbach ab sofort buchen und nutzen. Sie müssen dafür als Testnutzer registriert sein und benötigen die projekteigene KIRA-App. In der zweiten Jahreshälfte soll das Geschäftsgebiet auch auf Teile von Darmstadt ausgedehnt werden. KIRA ist in Deutschland das erste On-Demand-Projekt, das autonome Fahrzeuge für den ÖPNV per Automatisierungsstufe 4 mit Fahrgästen testet. Im Gegensatz zu den schon häufiger in Deutschland und andernorts anzutreffenden autonomen E-Shuttles bewegen sie sich dabei frei im Straßenverkehr. Betrieben werden die insgesamt sechs mit Hardware von Mobileye ausgerüsteten Elektro-Robotaxis der chinesischen Marke Nio von der Busfirma DB Regio Bus Mitte.

Zum Hintergrund: Level 4 wird auf der von eins bis fünf reichenden Skala des automatisieren Fahrens auch als „vollautomatisiertes Fahren“ bezeichnet. Das bedeutet, dass das Fahrzeug die Fahrten auf bestimmten Strecken völlig selbstständig bewältigen kann und auch ohne Insassen fahren darf. Bei Level 4 erkennt das System seine Grenzen so rechtzeitig, dass es regelkonform „einen sicheren Zustand“ erreichen kann, indem es etwa einen Parkplatz ansteuert. Der Unterschied zum völligen autonomen Fahren besteht nur noch darin, dass die Fahrzeuge auf definierte Gebiete festgelegt sind. Bei Level 5 müssen Fahrzeuge ortsunabhängig alle Verkehrssituationen bewältigen können.

Entscheidung über alle Fahrmanöver liegt beim Fahrzeug

Der Projektname KIRA steht konkret für „KI-basierter Regelbetrieb autonomer On-Demand-Verkehre“. Die Federführung haben dabei die Deutsche Bahn und der Rhein-Main-Verkehrsverbund. Das aufgerüstete Nio-Sextett fährt im laufenden Straßenverkehr mit bis zu 130 Stundenkilometern autonom. „Die Entscheidung über alle Fahrmanöver liegt beim Fahrzeug“, heißt es in einer begleitenden Mitteilung. Während des Erprobungsbetriebs ist aber immer ein Sicherheitsfahrer an Bord. Und: Die Fahrmanöver der Fahrzeuge werden von technischem Aufsichtspersonal in einer Leitstelle überwacht.

Die Verantwortlichen versprechen sich von autonomen On-Demand-Fahrdiensten einen flexibleren und attraktiveren ÖPNV. „Die Shuttles werden je nach Bedarf bestellt und können vor allem in suburbanen und ländlichen Gegenden für flächendeckende Mobilität sorgen“, schreiben die Initiatoren. Mit Fahrpersonal seien On-Demand-Shuttles im RMV bereits in zehn Gebieten unterwegs – in Darmstadt („HeinerLiner“) und im Kreis Offenbach („kvgOF Hopper“). Autonom, und damit ohne Personal an Bord, könnten solche Angebote verstärkt in Randzeiten und in eher dünn besiedelten Gegenden eingesetzt werden, heißt es weiter. Im Endeffekt soll „eine intelligente Verknüpfung verschiedener Verkehrsmittel eine nahtlose Mobilität von Tür zu Tür ermöglichen, die so flexibel ist wie das eigene Auto“.

Betreiberin der autonomen Fahrzeuge ist wie erwähnt die DB Regio Bus Mitte. Ins Projekt eingebunden sind aber noch etliche weitere Akteure: So stellt das DB-Unternehmen ioki die Software für Buchung und Routenplanung und integriert auch die Softwarekomponenten der verschiedenen Technologiepartner. Die Firma Mobileye trägt zudem die Selbstfahrtechnologie, HD-Karten sowie spezialisierte Sensorik zur Verfügung. Forschungspartner des Projekts sind ferner das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV).

2,2 Millionen Euro Förderung von Bund und Land

Der Testbetrieb ist zunächst bis Ende 2025 angesetzt, eine Verlängerung aber geplant. Das Bundesministerium für Verkehr (BMV) und das Land Hessen unterstützen KIRA mit insgesamt rund 2,2 Millionen Euro. Die Relevanz des Vorhabens unterstreicht auch Patrick Schnieder, Bundesminister für Verkehr, mit einem eigenen Statement zur nun erreichten Projektphase: „Autonomes Fahren ist eine zentrale Schlüsseltechnologie für eine innovative, umweltfreundliche und barrierefreie Mobilität. Perspektivisch soll es daher überall in Deutschland im Regelbetrieb stattfinden“, so Schnieder. „Mit unserer Förderung des Projekts KIRA wollen wir Bürgerinnen und Bürger vor Ort für diese Technologie begeistern: Sie können sich einfach und bequem von autonomen Shuttles abholen und zum Ziel bringen lassen. So machen wir autonomes Fahren erlebbar und zeigen, wie sich mit dieser Mobilitätsform die Lebensqualität der Menschen in der Region steigern lässt.“

Knut Ringat, Vorsitzender der Geschäftsführung Rhein-Main-Verkehrsverbund, ist überzeugt, dass vor allem ländliche Regionen vom autonomem ÖPNV profitieren können: „Wenn fahrerlose, flexibel buchbare Kleinbusse 24/7 da unterwegs sind, wo heute Linienbusse nur eine Handvoll Mal am Tag fahren, dann wird ÖPNV für alle verfügbar und deutlich attraktiver. Mit dem Leuchtturmprojekt KIRA gehen wir voran. […] Damit machen wir uns auf den Weg, in den 2030er Jahre mit autonomen On-Demand-Shuttles das öffentliche Verkehrsangebot zu ergänzen und vor allem im ländlichen Raum auszubauen.“

Auch Evelyn Palla, DB-Konzernvorständin Regionalverkehr, spricht von einer „Riesen-Chance“, den ÖPNV attraktiver und zugleich bezahlbarer zu machen – insbesondere außerhalb der großen Ballungsräume. „Das Projekt KIRA gibt einen eindrucksvollen Ausblick auf das, was möglich ist. Als starker Partner der öffentlichen Hand wollen wir als DB Regio auch weiterhin unseren Beitrag dazu leisten, den ÖPNV von morgen aktiv mitzugestalten.“

Grundsätzlich hängt KIRA seinem Zeitplan um etwa ein Jahr hinterher. Die ersten Tests der autonomen Elektroshuttles (noch ohne Testnutzer) hatte die Deutsche Bahn eigentlich für Mai 2023 angekündigt – tatsächlich los ging es Mitte 2024. Grund für die Verzögerung war die Insolvenz der ebenfalls beteiligten, damaligen Bahn-Tochter CleverShuttle (wegen der die Genehmigung des Kraftfahrt-Bundesamtes nicht eingeholt werden konnte).

Bei den eingesetzten Pkw handelt es sich um Einheiten des E-SUV ES8 von Nio, die mit zusätzlichen Lidar-Sensoren, Kameras und Software von Mobileye ausgerüstet sind.

deutschebahn.com, rmv.de, spiegel.de

0 Kommentare

zu „Deutschland-Debüt: KIRA schickt Elektro-Robotaxis mit Testnutzern auf die Straße“

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert