Lade-Demonstration: Mercedes-Benz eActros 600 zieht sich ein Megawatt

Entwickler von Mercedes-Benz Trucks haben erstmals einen Prototyp des eActros 600 mit einer Leistung von einem Megawatt geladen. Die Übertragung dieser Ladeleistung gelang an einer Ladesäule im eigenen Entwicklungs- und Versuchszentrum in Wörth am Rhein. (Update am Artikelende)

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Bild: Daimler Truck

Die Lkw-Hersteller erproben aktuell unter Hochdruck das Laden im Megawattbereich. Zwar ist die Norm in Form des Megawatt Charging Systems (MCS) noch nicht gänzlich fertig, sämtliche OEMs wollen aber vorbereitet sein, sobald dies voraussichtlich 2025 der Fall sein wird. Mercedes-Benz Trucks legt mit einer Lade-Demonstration im 1.000-kW-Bereich nun die Messlatte hoch. Zum Vergleich: Der MAN eTruck lud jüngst an einer Prototyp-Ladesäule von ABB mit gut 700 kW. Auch das gilt in der Branche bereits als MCS-Laden, obwohl streng genommen der Megawattbereich dabei nicht touchiert wird.

Zum demonstrierten Ladevorgang selbst äußert sich Mercedes Benz Trucks kaum. So bleibt offen, wie lange der Prototyp des Mercedes-Benz eActros 600 generell geladen hat oder wie lange tatsächlich ein Megawatt anlag. Auch zur Lade-Hardware liegen keine Infos vor. Auf den mitgelieferten Pressebildern ist die Ladesäule nur von hinten zu sehen. Geschulte Augen dürften die Umrisse des Geräts als Siemens Sicharge identifizieren. Offiziell bestätigt ist dies allerdings nicht. Ein Sprecher des Unternehmens äußert auf Anfrage von „electrive“ nur, dass die Batterien später in der Serie in circa 30 Minuten von 20 auf 80 Prozent laden sollen. Und dass „aus Wettbewerbsgründen“ aktuell keine weiteren Details genannt werden können.

Grundsätzlich spricht der Hersteller mit Blick auf die Demonstration aber von einer „durchbrochenen Schallmauer beim elektrischen Laden“ und kündigt an, dass sich seine Entwicklungsingenieure nun damit beschäftigen werden, „die im Rahmen der MCS-Standardisierung definierte Kommunikationsschnittstelle zwischen Fahrzeug und Ladesäule weiter zu erproben und Prototyp-Komponenten hin zur Serie weiterzuentwickeln“. Der Start der Serienproduktion des eActros 600 ist für Ende 2024 geplant. Kunden können dann zunächst Fahrzeuge mit einer Vorrüstung bestellen, dank der die MCS-Technologie – sobald verfügbar – nachrüstbar ist. Von Beginn an wird der eActros 600 wie in der Branche bisher üblich das CCS-Laden mit bis zu 400 kW beherrschen.

Die Ergebnisse erster Lade-Demonstrationen erreichen uns aktuell von mehreren Herstellern. Wie oben erwähnt hat MAN im März einen öffentlichen Ladevorgang seines eTruck an einer ABB-Prototypenstation in München absolviert und sich dabei mehr als mehr als 700 Kilowatt bei 1.000 Ampere gezogen. Für die Ladezeit der Batterie – von 10 auf 80 Prozent – gab der Nutzfahrzeughersteller „rund eine halben Stunde“ an. Im Mai will MAN ebenfalls in den 1.000-kW-Bereich vorstoßen.

Auch Scania arbeitet beim MCS-Laden mit ABB zusammen. Die Erprobung startete bereits vor knapp einem Jahr, wobei die Partner bisher keine Details zu Ladezeit oder Ladeleistung nennen. Ausgelegt ist das Megawatt Charging System grundsätzlich auf eine Ladespannung von bis zu 1.250 Volt und eine Stromstärke von bis zu 3.000 Ampere. Das entspricht theoretisch einer Ladeleistung von bis zu 3,75 Megawatt. Zum Vergleich: Heutige Ladesäulen mit dem CCS-Standard (Combined Charging System) können von Pkw und Nutzfahrzeugen genutzt werden und bieten maximal 400 kW Ladeleistung bei 500 Ampere. Anders als bei CCS-kompatiblen E-Lkw ist die Position des Ladeports an den Fahrzeugen für MCS standardisiert. Der Ladeport wird sich an der linken Fahrzeugseite befinden, in einem Bereich zwischen zwei und 4,80 Metern hinter der Stoßstange. Dort soll er ungefähr auf Hüfthöhe liegen.

Mercedes-Benz Trucks gibt an, umfassend an der Entwicklung des neuen, branchenweit gültigen MCS-Ladestandards beteiligt zu sein. Rainer Müller-Finkeldei, Leiter Mercedes-Benz Trucks Product Engineering, betont, dass die eigenen Entwickler den neu definierten MCS-Standard in kürzester Zeit mit voller Ladeleistung ins Fahrzeug gebracht hätten – „eine herausragende Ingenieursleistung“. Kunden mit hohen Anforderungen an Reichweite und Fahrzeugverfügbarkeit werden in seinen Augen künftig besonders vom Megawattladen mit 1.000 Kilowatt profitieren.

„Der erste erfolgreiche Ladetest mit einem Megawatt Leistung mit unserem E-Lkw ist ein enormer Entwicklungsschritt“, stimmt Peter Ziegler, Leiter E-Charging Components bei Mercedes-Benz Trucks, mit ein. In der Branche werde bereits eine Ladeleistung ab 700 Kilowatt als MCS-Laden bezeichnet. „Uns ist allerdings wichtig, dass unsere Kunden den eActros 600 mit vollen 1.000 Kilowatt aufladen und damit von kurzen Ladezeiten bei großer Reichweite profitieren können. Jetzt arbeiten wir mit Hochdruck daran, die MCS-Technologie in unserem eActros 600 zur Serienreife zu bringen.“

Mercedes‘ E-Lkw für den Fernverkehr soll dank 600 kWh Batteriekapazität (daher die Typbezeichnung 600) eine Reichweite von 500 Kilometern erreichen – und in Kombination mit seinen Ladefähigkeiten dafür sorgen, dass Kunden „deutlich über 1.000 Kilometer am Tag zurücklegen können“. Zwischenladen sollen die fernverkehrstauglichen E-Lkw in diesem Szenario während der gesetzlich vorgeschriebenen Fahrerpausen. Die 1.000 Kilometer Tagesreichweite könnten dabei selbst mit CCS erreicht werden, so der Hersteller.

Erste Kunden können den Mercedes-Benz eActros 600 übrigens seit Kurzem erproben. Vergangene Woche wurde publik, dass die ersten Exemplare bei den beiden Logistikern Contargo und Remondis angekommen sind. Vor dem Marktstart werden die beiden getarnten Langstrecken-Lkw mit Elektroantrieb dort im Alltagseinsatz erprobt – weitere Kunden-Einsätze mit unterschiedlichen Anwendungsfällen sollen folgen. Insgesamt wird derzeit eine Flotte von rund 50 Prototypen gebaut. Bereits 2022 wurde angekündigt, dass auch Amazon und Rhenus Test-Kunden für das damals noch eActros LongHaul genannte Fahrzeug werden sollen. Als eActros 600 wird das Fahrzeug erst seit seiner Weltpremiere im Oktober 2023 bezeichnet – wenige Tage vor der Premiere konnte electrive bereits in einem Prototyp mitfahren.

Wenn die Serienproduktion des eActros 600 Ende 2024 in Wörth anläuft, soll das Modell übrigens von Anfang an als Sattelzugmaschine und Pritschenfahrgestell-Variante produziert werden.

Update 25.04.2024: Vor kurzem haben Entwickler von Mercedes-Benz Trucks wie oben berichtet erstmals einen Prototyp des eActros 600 mit einer Leistung von einem Megawatt geladen. Details zur Lade-Hardware gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Geschulte Augen konnten allerdings bereits anhand des Display-Designs und den Umrissen der Säule die Ladestation als eine Siemens Sicharge identifizieren. Eine Bestätigung blieb vorerst aus. Bis jetzt.

Denn nun hat Siemens seinerseits verkündet, dass sein Megawatt-Ladesystem im Test erstmals eine Ladeleistung von 1 MW geliefert hat. Bei der Ladetechnik handelt es sich um ein „Sicharge Megawatt-Ladesystem“, welches auf dem bekannten Sicharge-Portfolio basiert. Es­ besteht aus mehreren „Sicharge UC150“-Schaltschränken, einer Schaltmatrix und einem speziellen MCS-Dispenser. Die Schaltmatrix sei laut Siemens das zentrale Element, das die Ausgangsleistung der Ladestationen bündelt und je nach Bedarf an den MCS-Dispenser weiterleitet.

„Insbesondere im Fernverkehr ist es entscheidend, dass Elektro-Lkw und -Busse während der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten ein schnelles MCS zur Verfügung haben. Um eine flächendeckende Verbreitung zu gewährleisten, müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein – auch auf staatlicher Seite. Der Testerfolg bringt uns technologisch einen großen Schritt voran und unterstreicht unser Bestreben, das Verkehrswesen aktiv nachhaltiger zu gestalten“, so Markus Mildner, CEO eMobility bei Siemens Smart Infrastructure.

daimlertruck.com, siemens.com (Update)

8 Kommentare

zu „Lade-Demonstration: Mercedes-Benz eActros 600 zieht sich ein Megawatt“
Gerhard Stolzewski
22.04.2024 um 18:00
Lädt der mit 1.000 kW Leistung oder speichert er die Energiemenge von 1.000 kWh?
Ronald Köhler
22.04.2024 um 21:21
Nein, der E-Actros 600 hat einen Energiespeicher von (geschätzten) 600kWh, eben für jene 500km in einem Ritt. Die gesetzliche Pause von 45 min sollte dann zum Nachladen genutzt werden. Interessant jedoch ist hierbei, dass selbst Daimler davon spricht, der MCS-Plug sei gar nicht notwendig. Naja, wir (Kempower) haben ja selber einen MCS-Satelliten zu unserer gekoppelten 2x600kW-Ladeeinheit. Wahlweise kann neben dem MCS (max 1,2MW) eben auch ein Satellit mit 2x Mega-CCS (jeweils bis 700A) angeschlossen werden. So würden in den 45min 420kWh nachgeladen werden können, was in der „Nachmittagsschicht“ dann wieder für ca 400-500km reicht - beeindruckend.
D-Tric
22.04.2024 um 20:42
Es geht hier nur um die Ladeleistung.
Marco
22.04.2024 um 20:21
Leistung
Engelbert.Montagne
23.04.2024 um 15:56
Super. Was passiert denn, wenn sich diese Technik etabliert und von den in D aktuell zugelassenen LKW nur 10% im Langstreckenverkehr und dieser Ladetechnik unterwegs wären? Das wären dann mindestens 700.000 Ladevorgänge am Tag Falls dann mal 1/3 davon gleichzeitig Laden bräuchte man dazu mehr als 60GW an Leistung. Woher soll die kommen und vor allem mit welcher Infrastruktur?
astein
24.04.2024 um 08:45
Was passiert wenn 10% der deutschen Haushalt um genau 12 Uhr anfangen zu kochen. Oder zum gleichen Zeitpunkt zur Tankstelle fahren…
Philipp
23.04.2024 um 19:59
Umsonst wirds das nicht geben, aber ich finde es schon einen großen Schritt nach vorne, dass es schon mit heutiger (fast)Serientechnik möglich ist! Man muss also nur noch wollen, können ist schon mal erledigt ;-).
Max
26.04.2024 um 19:23
Das Wollen wird kein Selbstläufer werden, wenn plötzlich bekannt wird, dass die kWh doch nicht nur 35 Cent kosten wird, wie es in beliebigen Studien unterstellt wird. Hohe Kosten für große Parkplätze, aufwendige Ladetechnik, leistungsstarke Netzanschlüsse und eine suboptimale Auslastung selbst bei hoher Nachfrage (Konzentration der Ladevorgänge auf die Mittagszeit, Totzeiten durch erforderliche Reservierungen) werden MCS-Strom zum Champagner der E-Mobilität machen. Speditionen wollen aber nicht für Champagner bezahlen.

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