VW stellt Agenturvertrieb auf den Prüfstand

Der Volkswagen-Konzern überprüft sein Vertriebsmodell in ausgewählten europäischen Märkten. Zwar bleibt der Direktvertrieb mit einer „Vollagentur“ das langfristige Ziel der Wolfsburger, kurz- und mittelfristig könnte es aber eine Rückkehr zum traditionellen Vertrieb geben.

Bild: Volkswagen

Als Hintergrund der Überprüfung, die am Mittwoch von VW gegenüber seinen Handelspartnern verkündet wurde, führt das Unternehmen den langsameren Übergang zur Elektromobilität an. Da der reine Elektroauto-Neuwagen-Vertrieb wohl später erreicht wird als vor einigen Jahren gedacht, „müssten länger als ursprünglich angenommen zwei Vertriebsmodelle für Privatkunden parallel betrieben werden“: Das Agenturmodell für vollelektrische Fahrzeuge (BEV) und das indirekte Vertriebsmodell für Fahrzeuge mit anderen Antriebsarten.

„Die Aufrechterhaltung dieser hohen Komplexität über einen längeren Zeitraum wäre eine besondere Herausforderung für die Vertriebsorganisation“, teilt VW mit. Daher wird ab sofort ein gemeinsamer Prüfprozess mit den Groß- und Einzelhandelsorganisationen gestartet, um zu klären, „ob die Rückkehr zu einem indirekten Vertriebsmodell für BEV kurz- bis mittelfristig eine vorteilhafte Alternative sein könnte“. Die Ergebnisse dieses Prozesses werden gegen Ende des ersten Quartals 2025 erwartet.

Seine MEB-Modelle verkauft VW derzeit über das Agenturmodell. Dabei ist nicht mehr der Händler vor Ort der Vertragspartner des Kunden, sondern nur noch ein „Vermittlungsagent“. Dafür erhält der Händler eine im Vorfeld festgelegte Summe je Fahrzeug, offiziell bestellt der Kunde aber direkt bei VW – der Hersteller will so die Vorteile des Direktvertriebs (z.B. den direkten Kundenkontakt) nutzen, aber gleichzeitig auch das große Händlernetz erhalten.

An dem „Überprüfungsprozess“ werden Volkswagen Pkw, Volkswagen Nutzfahrzeuge, Skoda und Audi teilnehmen – und zwar in den Märkten Frankreich, Deutschland, Polen, Spanien und dem Vereinigten Königreich. Derzeit wird das BEV-Agenturmodell auch von Cupra genutzt. Das soll laut VW auch so bleiben, egal wie die Überprüfung bei den anderen Marken ausgeht – um „weitere Erfahrungen mit der Agentur zu sammeln“. Zudem soll auch die „erfolgreiche und etablierte Flottenagentur“ weiter skaliert werden. Und in Irland und Schweden soll die Vollagentur ebenfalls weiter erprobt werden – und zwar für alle Antriebsarten.

„Die Vollagentur mit Direktvertrieb an Kunden bleibt langfristig unser klares Zielbild. Angesichts veränderter Rahmenbedingungen müssen wir jedoch neu bewerten, ob unser derzeitiges Agenturmodell für vollelektrische Fahrzeuge das bestmögliche Kundenerlebnis bietet“, sagt Marco Schubert, seit September Mitglied der Erweiterten Konzernleitung für Vertrieb. „Daher werden wir gemeinsam mit unseren Groß- und Einzelhandelsorganisationen prüfen, ob eine Rückkehr zu einem indirekten Vertriebsmodell kurz- bis mittelfristig für ausgewählte Märkte eine vorteilhafte Alternative sein könnte.“

volkswagen-group.com

4 Kommentare

zu „VW stellt Agenturvertrieb auf den Prüfstand“
Harald Gallinnis
28.11.2024 um 12:08
Solange die Elektroautos nicht 100% ig kugelsicher funktionieren - was speziell bei europäischen Herstellern noch einige Dekaden dauern wird - wird der Kunde immer den Händler mit der autorisierten Werkstatt in der Nähe beim Kauf bevorzugen. Agenturmodelle mögen in der Theorie eine tolle kostensparende Sache sein aber dadurch geht m. E. die Kundenbindung den Bach runter. Speziell im Aftersale-Service will ich vom Kauf bis zum letzten Service einen zuverlässigen Ansprechpartner haben.
Chris
29.11.2024 um 11:05
Vor Kunde wird sich mit dem Agenturmodell nichts ändern. Der Agent/Handel ist weiterhin als Ansprechpartner für den Kunden vor Ort verfügbar. Im Verkauf kann sich noch stärker auf die Beratung konzentriert werden, weil es einheitliche Preise im Markt gibt und dadurch auch die Restwerte gesteuert werden können. Die Agentur betrifft nur den Verkauf und nicht den Service!
Herr Kenner
29.11.2024 um 09:10
Aus dieser Verlautbarung lässt sich noch etwas anderes ableiten.Auch das Zweitvermarktungsrisiko verbleibt offenbar beim Hersteller. Beim "indirekten" Vertrieb blieb der Händler auf schlecht verkaufbarer Ware sitzen. Beim Agenturmodell ist es der Hersteller. Und genau hier scheint damit mittlerweile die Hütte zu brennen. Goldene Regel: Was neu nicht gefragt ist, wird gebraucht selten ein Renner. Ist aktuell dann wohl das Problem des Herstellers, der sich mit seinem Agenturmodell goldene Zeiten ausmalte...
Josef Ausserwöger
29.11.2024 um 10:50
Lange hat es gedauert bis man auch bei VW drauf gekommen ist, dass beim Agentur-Modell die Händler nicht mehr allzu sehr motiviert sind für eine schmale Provision die gleichen Leistungen wie früher zu bringen. Und letztlich ist es auch für den Kunden ein emotionsloses Erlebnis beim Kauf eines neuen Autos. Habe das gerade selbst erlebt und erfahren müssen, dass daher die Händler versuchen, ihre Margen mit Gebrauchtautos zu machen - das führt zu einem künstlichen Dumping beim Ankauf von Gebrauchtwagen - mein CUPRA Formentor eHybrid (11.000km) hat somit in nur 28 Monaten 48% an Wert verloren ! Fazit: am Ende zahlt wieder der Kunde die Rechnung ! Daher wird es Zeit, dass das Agentur-Modell wieder verschwindet !!!

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