
Neues E-Depot und bald 50 E-Lkw: Spedition Nanno Janssen voll auf Stromkurs
Die Einladung klang schräg, war aber als reine Satire gemeint: „Hiermit verkündet die Lastspitzen-Mafia der Nanno Janssen GmbH nun den ersten Pkw-Ladepark, den wir mit unseren fünf Mercedes eActros 600 überlasten werden: Ladepark Seed & Greet am Kreuz Hilden, Lastspitze: 2.000 kW.“ So verkaufte der bei YouTube als „Elektrotrucker“ bekannte Tobias Wagner seine Idee, bei der Überführung von fünf Elektro-Lkw vom Daimler-Truck-Werk Wörth ins ostfriesische Leer einen konventionellen Ladepark einem Härtetest unterziehen zu wollen.
Der große Lade-Stresstest
Gesagt, getan: An diesem Montag war es nun so weit und Tobias Wagner, der bei Nanno Janssen arbeitet und sozusagen dessen Corporate Influencer ist, tauchte samt Kollegen und den nigelnagelneuen E-Sattelzugmaschinen am frühen Abend in Hilden auf. Der Termin wurde zum Community-Event – zahlreiche Follower des Elektrotruckers waren vor Ort, nachdem er dazu via Social Media aufgerufen hatte.
Idee des Tests, wie es Wagner salopp auf LinkedIn formulierte: „Auf Wunsch testen wir für CPOs mit gleichzeitigen 5 x 400 kW, ob euch euer Trafo Hersteller über den Tisch gezogen hat.“ Entsprechend war die Idee, die fünf eActros gleichzeitig laden zu lassen und zu testen, ob die Anlage diese Ladeleistung auch tatsächlich aushält. Der Test wurde dann am Ladepark Seed & Greet an fünf Ladesäulen von Fastned durchgeführt – und lieferte ein traumhaftes Ergebnis: „Zu sehen, wie diese fünf Lademonster bis 80 Prozent durchgängig mit 400 kW in die 600-kWh-Akkus ziehen – und drei von Ihnen gleichzeitig auch bekommen – das ist der Hammer“, berichtet Roland Schüren, Betreiber von Seed & Greet, gegenüber electrive. „Das war ein Meilenstein, ein Highlight, welches ich nicht vergessen werde.“ Er vergleicht es mit dem Moment, „als wir zu sechst erstmalig mit unseren Tesla Model S die 100 kW plus am Supercharger gezogen haben. Wir hatten uns zu einer Tasse Kaffee im Maxi-Autohof zusammengesetzt, die Handys mit laufender App auf den Tisch gelegt und konnten gar nicht verstehen, dass die Autos voll waren, bevor der Kaffee getrunken war.“
Auch Linda Boll, Country Director Germany von Fastned, war absolut angetan: „Das Electro-Trucking Community-Event am Montag an unserer Fastned-Station im Ladepark Hilden war ein voller Erfolg. Es ist schön zu sehen, wie groß die E-Lkw-Community inzwischen geworden ist. Vor Ort konnten wir zeigen, dass unsere Fastned-Schnellladesäulen auch bei den hohen Anforderungen der E-Lkws zuverlässig funktionieren und durchgehend eine wirklich beeindruckende Leistung liefern. Wir freuen uns über jeden Lkw, der heute schon bei uns lädt.“ Zugleich erläutert sie, dass sich Fastned zwar aufs Schnellladen von Pkw konzentriert, zugleich aber versucht, Stationen so zu planen, dass auch Lkws problemlos laden können. „Gleichzeitig wissen wir: Aufgrund unterschiedlicher Kundenanforderungen und praktischer Themen wie Gewicht, Höhe oder Schleppkurven müssen Ladeinfrastrukturen für Pkw und Lkw langfristig getrennt gedacht werden, um eine massentaugliche Lösung zu schaffen.“






Elektrifizierungsstrategie statt Show-Effekt
Der Lade-Stresstest in Hilden ist natürlich zu einem absoluten Eyecatcher geworden. Doch Nanno Janssen betreibt die Elektrifizierung nicht „just for the show“, sondern meint es absolut ernst mit dem elektrischen Güterverkehr. Mit den mittlerweile am Hauptsitz in Leer angekommenen fünf eActros 600 hat das Unternehmen nach E-Lkw von Volvo, Scania, Iveco und DAF nun auch erstmals elektrische Sattelzugmaschinen von Daimler Truck in seine Flotte integriert.
Insgesamt sind nun bereits 27 E-Lkw bei Nanno Janssen im Einsatz. Und die benötigen natürlich eine eigene Ladeinfrastruktur. Diese hat Nanno Janssen gemeinsam mit Siemens Infrastructure in seinem Depot in Leer errichten lassen. Der Lkw-Ladepark wurde gestern in Anwesenheit von Christian Hirte, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, und weiterer politischer Prominenz eingeweiht. Christian Hirte lobt Nanno Janssen für die Elektrifizierung: „Soll die Transportbranche die Transformation zur Klimaneutralität schaffen, dann braucht es solche Vorreiter.“ Und Geschäftsführer Nanno Janssen sagte in seiner Eröffnungsrede: „Was wir heute einweihen, ist mehr als nur ein Ladepark. Es ist ein Bekenntnis – zur Verantwortung, zur Innovation und zur Zukunft der Mobilität.“
Ladeinfrastruktur am Firmensitz in Leer
Doch werfen wir einen genaueren Blick auf den Depot-Ladepark von Nanno Janssen: Die Idee bestand darin, einerseits CO2-Emissionen zu reduzieren und andererseits die Betriebskosten zu senken. Dies erreichen Siemens Infrastructure und Nanno Janssen, indem eine Ladeinfrastruktur integriert wird, die Energie aus erneuerbaren Energiequellen zum Laden der Fahrzeuge nutzt, selbst bei möglichen Engpässen in der Netzversorgung.
Für den Ladevorgang selbst wurden zehn Ladesäulen mit je zwei Ladepunkten vom Typ SiCharge D 300 kW von Siemens installiert. Am anderen Ende kommt der Strom vor allem von zwei Windrädern und einer 800-kW-Photovoltaikanlage. Zur Installation zählen weiterhin zwei Batteriespeicher vom Typ SieStorage Neo mit einer Leistung von 368 kW und Kapazität von 656 kWh, die Überschussenergie aus der PV-Anlage speichern. Zum weiteren Setup zählen u.a. ein Trafo und mehrere Niederspannungsschaltanlagen, das Lademanagement SICAM DLM auf der Plattform SICAM A8000 und ein MicroGrid Controller inkl. Cloudanbindung zur dezentralen Überwachung und Steuerung/Regelung.
Siemens Infrastructure nennt bei diesem Setting Vorteile wie etwa effizientes Energiemanagement: Durch die Koordination der Energieflüsse und die Steuerung der Ladevorgänge kann das System den Energieverbrauch optimieren und gleichzeitig die Betriebskosten senken sowie Transparenz zu gewinnen. Zudem ermöglicht das System die Priorisierung bestimmter E-Lkw über das dynamische Lastmanagement. Dies kann dazu beitragen, die Effizienz des Ladevorgangs zu verbessern und gleichzeitig die Betriebskosten zu senken.









Von der Region in den Fernverkehr
Nanno Janssen geht die Elektrifizierung seiner Flotte dabei sehr schnell an: Erst im Februar 2024 stellte das Unternehmen seinen ersten 7,5-Tonner für Aufgaben im Landkreis Leer vor. Doch längst ist Nanno Janssen mit seinen nun schon 27 Elektro-Lkw im Fernverkehr bzw. Schwerverkehr angekommen. Wenn man auf YouTube die Videos von Elektrotrucker Tobias Wagner anschaut, sieht man europaweite Transporte von schweren Gegenständen wie etwa von einer Asphaltiermaschine. Die neuen fünf eActros 600 sind für Einsätze in den Segmenten B2C (Mitnahmestapler-Anlieferungen), eMobility (Transporte von Ladesäulen, Fundamenten, Trafo, Solar- und Windanlagen) sowie Werkslinienverkehre vorgesehen.
Bei der Einweihung des Depot-Ladeparks verriet Senior-Chef Nanno Tönjes Janssen: Der Einstieg seines Sohnes Nanno Edzard Janssen in das Familienunternehmen habe vor fünf Jahren den Anstoß für die heutige Elektrifizierung des Fuhrparks gegeben. Denn damals habe die Frage im Raum gestanden: „Was müssen wir heute tun, damit unser Betrieb auch in Zukunft bestehen kann?“ Die Antwort sehen wir heute.
Blick in die Zukunft: 50 E-Lkw bis Jahresende
Längst ist die Firma überzeugt von der Elektromobilität – die E-Lkw-Flotte soll bis Jahresende von jetzt 27 auf dann 50 Fahrzeuge wachsen. Das wird dann mehr als die Hälfte der gesamten Lkw-Flotte von Nanno Janssen sein. Im Alltagsbetrieb habe sich längst gezeigt, dass E-Lkw mit Diesel-Lkw mithalten könnten – und im Betrieb sogar wirtschaftlicher seien, so Nanno Janssen bei dem Event. Und auch die Fahrer seien längst überzeugt, keiner wolle mehr zurück zum Diesel.
Quelle: eigene Recherchen, nwzonline.de, now-gmbh.de
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