Stellantis gibt seine Wasserstoff-Ambitionen auf
Stellantis sagt in seiner Mitteilung zum Rückzug aus der Wasserstoff-Mobilität, dass „der Wasserstoffmarkt mittelfristig keine Entwicklungsperspektiven zeigt“. Man erwarte nicht mehr, „dass sich Wasserstoffbetriebene leichte Nutzfahrzeuge vor Ende des Jahrzehnts flächendeckend etablieren“. Als Konsequenz bricht Stellantis die Vorbereitungen für die Serienproduktion seiner neuen Generation von Pro-One-Fahrzeugen mit BZ-Antrieb ab. Diese sollte eigentlich ab diesem Sommer in größerem Stil im französischen Hordain (mittelgroße Transporter) und im polnischen Gliwice (große Transporter) gebaut werden, wo Stellantis theoretisch seit Anfang 2024 H2-Lieferwagen baut.
In den mittelgroßen Lieferwagen (Citroën ë-Jumpy, Fiat Professional E-Scudo, Opel/Vauxhall Vivaro und Peugeot E-Expert) wollte Stellantis früheren Plänen zufolge eine zweite BZ-Generation für eine Reichweite von bis zu 400 Kilometern und eine Betankungszeit von weniger als vier Minuten verbauen. Bei den großen Modellen (ë-Jumper, E-Ducato, Movano und E-Boxer) waren bis zu 500 Kilometer und eine Betankungszeit von fünf Minuten angekündigt. Mit diesen Daten hatte sich Stellantis eine Nachfrage bei Kunden erhofft, die zwar elektrisch fahren, aber ohne die Ladezeiten der Batterie-elektrischen Versionen auskommen wollen.
Doch nun kommt es anders. Die nun gezogene Reißleine kommt dabei nicht gänzlich überraschend: Stellantis legte dieser Tage bereits seine Wasserstoff-Pläne für Großbritannien auf Eis. Der deutlich breitere Rückzug ist nun eine klare Abkehr von der bisherigen Strategie: Noch im April 2024 hatte Jean-Michel Billig, Chef des Wasserstoff-Programms des Konzerns, für die H2-Transporter einen Marktanteil von bis zu 40 Prozent prognostiziert.
Als Grund für den trägen Wasserstoffmarkt hat Stellantis vor allem drei Entwicklungen ausgemacht: die begrenzte Verfügbarkeit von H2-Tankstellen, hohe Kapitalanforderungen und mangelnde Kaufanreize für Verbraucher. Hinzukommt, dass Stellantis seine Kräfte bündeln muss, um „auf anspruchsvolle CO2-Vorschriften in Europa zu reagieren“, wie Jean-Philippe Imparato, Chief Operating Officer für Enlarged Europe, betont. „Der Wasserstoffmarkt bleibt ein Nischensegment ohne Aussichten auf mittelfristige wirtschaftliche Nachhaltigkeit“, macht er klar. „Wir müssen klare und verantwortliche Entscheidungen treffen, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten und die Erwartungen unserer Kunden mit unserer Offensive bei elektrischen und hybriden Personen- und leichten Nutzfahrzeugen zu erfüllen.“
Jobs sind durch den Beschluss nicht gefährdet: „Die F&E-Aktivitäten im Zusammenhang mit Wasserstofftechnologie werden auf andere Projekte umgeleitet“, heißt es. Auch auf die Produktionsstandorte habe die Entscheidung keinen Einfluss. Durchaus Konsequenzen hat Stellantis Rückzug aus dem Wasserstoffbereich aber für Symbio, das Brennstoffzellen-Joint-Venture von Forvia, Michelin und Stellantis.
Der Autobauer gibt an, Gespräche mit den Aktionären von Symbio eingeleitet zu haben, „um die aktuellen Marktauswirkungen zu bewerten und die besten Interessen von Symbio im Einklang mit ihren jeweiligen Verpflichtungen zu wahren“. Man wolle mit den Partnern „Alternativen für Symbio“ diskutieren. Das Joint Venture hatte erst im Februar ein neues Wasserstoff-Brennstoffzellensystem namens StackPack 75 vorgestellt, das sich besonders für Nutzfahrzeuge und Baumaschinen eignen soll. Womöglich eine H2-Nische, die im Gegensatz zu Pkw und leichten Nutzfahrzeugen noch weiterverfolgt wird.
Wir erinnern uns: Symbio war im November 2019 zunächst von Faurecia und Michelin gegründet und als Brennstoffzellen-Hersteller mit Fokus auf den europäischen Markt etabliert worden. Im August 2022 erfolgte die Expansion in die USA. Im Sommer 2023 stieg auch Stellantis als Gesellschafter ein. Seine Produktion nahm das Joint Venture anschließend im Dezember 2023 in Frankreich auf. Der Stellantis-Konzern setzt unter anderem bei den Brennstoffzellen-Versionen des Opel Vivaro-e und seiner Schwestermodelle auf die Stacks von Symbio. Im Zuge seines Strategieplans „Dare Forward 2030“ plante das Unternehmen eigentlich eine konsequente Ausweitung des Wasserstoff-Angebots – unter anderem auf größere Nutzfahrzeuge.
Parallel zu Stellantis rudern gerade etliche Akteure der Wasserstoff-Mobilität bei ihren Plänen zurück. So stellt etwa der H2-Taxibetreiber Hype in Paris radikal auf BEV-Taxis um, was wiederum bei Symbio widerhallt: Das Joint Venture lieferte vor zwei Jahren die Brennstoffzellen-Systeme für die 50 ersten Taxi-Einheiten. Damals war von potenziell bis zu 1.000 Wasserstofftaxis die Rede. Auch Honda gab kürzlich an, seine Pläne zum Bau einer neuen Produktionsstätte für Brennstoffzellenmodule in Japan zu beschneiden.
Im Truck-Bereich hat zudem jüngst der Lkw-Vermieter Hylane eine Öffnung seines reinen H2-Geschäfts gegenüber Batterie-Fahrzeugen publik gemacht. Und Daimler Truck kündigte vor wenigen Tagen an, im Zuge eines rigiden Sparkurses den Launch seines H2-Lkw von 2027 auf die frühen 2030er Jahre zu verschieben. Dies dürfte wiederum Nervosität im gemeinsamen BZ-Joint Venture Cellcentric (mit Volvo Trucks) auslösen.
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