Österreicher E-Taxis werden zu Pionieren am Ladepad

In Wien und Graz läuft mit dem „eTaxi Austria Projekt“ demnächst ein groß angelegter Testlauf zur Erprobung einer neuartigen automatisierten Ladetechnik an. Dabei verknüpft sich das E-Fahrzeug am Unterboden mit einem Ladepad am Taxistand. Ein Ansatz, der auch andere Flottenbetreiber reizen könnte. Wir haben die Details dazu.

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Das „eTaxi Austria Projekt“ ist eine durch und durch österreichische Initiative. Zum einen werden insgesamt zehn Taxistand-Plätze und 66 Elektrofahrzeuge in Wien und Graz für das Vorhaben präpariert. Zum anderen stammt die konduktive Ladetechnologie namens Matrix Charging von Easelink, einem Unternehmen mit Sitz in Graz. In Abgrenzung zu induktiven Ladetechnologien gibt es bei dem Ladevorgang bei Easelink durchaus physischen Kontakt zwischen dem E-Fahrzeug und der statischen Ladequelle – und zwar über einen sogenannten Connector, der sich vom Unterboden der Fahrzeuge absenkt und mit dem Ladepad im Boden verknüpft.

Übertragen wird an den Österreicher Taxiständen während der zweijährigen Laufzeit des Projekts eine AC-Stromleistung von 11 kW bei einer Übertragungseffizienz von mehr als 99 Prozent. Easelink betont, dass seine Matrix Charging-Lösung „in weiterer Folge bis 22 kW AC, 50 kW DC bei 400 Volt und 100 kW DC bei 800 Volt unterstützen“ werde. Als Pilotfahrzeuge dienen in Wien und Graz der VW ID.4 und der gerade erst gelaunchte Hyundai Ioniq 5. Beiden Modellen wird Easelink eine Nachrüstlösung spendieren, die „bereits heute in die meisten der marktverfügbaren Elektrofahrzeuge nachrüstbar ist“, wie Hermann Stockinger, Gründer und Geschäftsführer von Easelink, betont.

Im Handel ist das System allerdings noch nicht. Neben Erprobungen in kleinerem Umfang stellt „eTaxi Austria“ mit 66 Fahrzeugen im EchtTaxibetrieb nun die nächste Stufe dar, eine sogenannte erweiterte kundennahe Pilotierungsphase. Das Projekt läuft bis 2024 – in jenem Jahr sollen dann auch die ersten Serienprodukte der nachrüstbaren Variante von Matrix Charging erhältlich sein. Neben dem Nachrüstkit arbeitet Easelink aktuell nach eigenen Angaben auch „mit führenden Automobilherstellern und Zulieferern an einer Serienapplikation von Matrix Charging“. Sprich: Auch Neufahrzeuge oder Fahrzeugteile sollen künftig ab Werk mit der Lösung ausgeliefert werden.

Eine Preisangabe für Endkunden möchte Easelink auf Anfrage noch nicht kommunizieren. Die Österreicher stellen aber in Aussicht, dass „die Kostenstruktur der Technologie einen Einsatz von Matrix Charging in allen Fahrzeug-Preissegmenten ermöglichen wird“. Automatisiertes Laden werde damit über das Premium-Segment hinaus auch im Volumen-Segment möglich sein. Als Luxusgut soll die Ladetechnologie demnach nicht enden.

Im Rahmen von Kooperationsprojekten laufen laut Easelink bereits Tests mit Automobilherstellern und -lieferanten, Infrastrukturanbietern und Flottenbetreibern. Seit Sommer 2020 wird das System in Graz bereits von einem E-Carsharer im öffentlichen Raum eingesetzt, seit diesem Frühjahr besteht zudem eine Entwicklungspartnerschaft mit dem Österreichischen Automobil-, Motorrad- und Touring Club (ÖAMTC). Ganz aktuell war das Ladesystem zudem auf der IAA Mobility in einer elektrischen Fahrzeugplattform von Zulieferer Schaeffler zu erleben. Und: Ende vergangenen Jahres vermeldete Easelink sogar Interesse aus China.

Im Auge hat der Hersteller mit seiner Lösung sowohl Flottenbetreiber als auch Privatleute. Vor allem aber alle jene, die in ihrer Dienstzeit Standzeiten zu überbrücken haben. Das Taxi-Gewerbe ist vor diesem Hintergrund prädestiniert, denn Unterbrechungen für Fahrten zur nächsten Stromtankstelle könnten so vermieden werden, betonen die Partner. Und: Durch den Wegfall von sperrigen Ladestationen und Kabeln könne die Ladeinfrastruktur ohne zusätzlichen Platzbedarf in dicht bebauten Räumen ausgerollt werden. „Gleichzeitig ermöglicht das Projekt ganzjährigen Komfort für Fahrer:innen und Kund:innen, etwa das Kühlen und Heizen der E-Fahrzeuge am Taxistand ohne Verringerung der Reichweite, sowie das einfache Vor- und Nachrücken am Taxistand ohne ein Kabel“, heißt es aus der Firmenzentrale.

Hermann Stockinger ergänzt noch, dass die Ladepads am Parkplatz robust und wartungsfrei seien und sich sowohl im öffentlichen Raum als auch in der privaten Garage installieren lassen. Sie hielten eine Radlast von bis zu 2,5 Tonnen aus und verfügten über einen automatischen Reinigungsmechanismus. In Wien und Graz werden die Ladepads nun direkt an den Taxi-Ständen platziert. In der Hauptstadt werden acht Standplätze und 56 Fahrzeuge für das Projekt präpariert, in Graz sind es zwei Standplätze und zehn Fahrzeuge. Außerdem sollen in Graz zwei klassische HPC-Lader „als Rückfallebene“ ergänzt werden. Alle Standorte sollen bald spruchreif sein, wobei in Graz vor allem die Taxi-Stände am Lendplatz, in der Kaiserfeldgasse und in der Gleisdorfer Gasse als potenzielle Test-Locations gelten.

In Österreich kommt der Initiative insofern eine Bedeutung zu, als dass die Alpennation ab 2025 nur noch Taxis mit emissionsfreiem Antrieb zulassen will. Hinter der Umsetzung von „eTaxi Austria“ steht denn auch ein ganzes Konsortium. Das Kernteam besteht neben Easelink aus den Wirtschaftskammern Wien und Steiermark, den Energiekonzernen Wien Energie und Energie Graz, der Grazer Energieagentur, den Unternehmen tbw research GesmbH, Taxi 40100 und Taxi 31300 sowie vibe moves you und Quintessenz Organisationsberatung. Weitere beteiligte Partner sind der ÖAMTC und Autobauer Hyundai.

Gefördert wird das Projekt zudem aus Mitteln des Österreicher Klima- und Energiefonds im Rahmen des Programms „Zero Emission Mobility Implementation“. Vom prognostizierten Projektvolumen in Höhe von 7,5 Millionen Euro übernimmt die öffentliche Hand 2,2 Millionen Euro.

Im Zuge der oben genannten Kooperationsprojekte kann Easelink inzwischen auf einige Befürworter seiner Technologie verweisen. Paul Gredler Oxenbauer, Gruppenleiter Charging Solutions von Energiekonzern Wien Energie, konstatiert etwa, dass „durch den dezentralen Aufbau der Ladeinfrastruktur und einer hohen Verbindungszeit der Fahrzeuge mit den Ladepunkten eine netzdienliche Integration in das städtische Stromnetz erreicht werden kann“.

Und Christian Klejna, Experte für Elektromobilität beim ÖAMTC, äußert, dass „unsere Erfahrungen in der Erprobung von Matrix Charging innerhalb der ÖAMTC-E-Flotte gezeigt haben, dass Matrix Charging als technisch sichere und robuste Lösung für das Projekt eTaxi hervorragend geeignet ist“.

Easelink arbeitet übrigens bereits seit 2015 an seiner automatisierten konduktiven Ladetechnologie und hat sich in diesem Zuge „zahlreiche Patente und Markenzeichen“ gesichert. Zurzeit beschäftigt das Unternehmen 24 Mitarbeiter und unterhält Standorte in Graz/Österreich und China. Daneben engagiert sich Easelink in mehreren Normgremien für Ladetechnologie, etwa in der Charging Interface Initiative (CharIn), der Internationalen Elektrotechnischen Kommission (IEC) und in der Internationalen Organisation für Normung (ISO).
easelink.com, etaxi-austria.at (PDF, Graz), etaxi-austria.at (Projekt-Webseite)

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