Daimler will ab 2025 nur noch Elektro-Plattformen einführen

Daimler hat im Rahmen eines Investorentags seine aktualisierten Planungen für den anstehenden Umstieg auf die Elektromobilität vorgestellt. Das Ziel: Mercedes-Benz bereitet sich mit neuen Plattformen und Batterie-Fabriken darauf vor, noch vor Ende des Jahrzehnts vollelektrisch zu werden – mit einer Einschränkung.

Und zwar will Mercedes rein elektrisch werden, „wo immer die Marktbedingungen es zulassen“. Genauer wird das in der Mitteilung des Autobauers nicht definiert – Europa und Nordamerika dürften dazuzählen, Lateinamerika wohl eher nicht. Spannend dürfte die Einordnung von China sein. „China soll eine Schlüsselrolle bei der beschleunigten Elektrostrategie von Mercedes-Benz spielen“, schreibt Daimler in der Mitteilung – bestätigt aber nicht ausdrücklich, ob dort die Umstellung vor 2030 erfolgen soll oder nicht.

Konkret wurde bestätigt, was sich anhand der aktuellen und angekündigten EQ-Modelle bereits abgezeichnet hat: Ab 2022 will Mercedes-Benz in allen Segmenten, in denen die Marke aktiv ist, Batterie-elektrische Fahrzeuge anbieten. „Die Elektromobilität gewinnt an Fahrt – vor allem im Luxus-Segment, wo Mercedes-Benz zuhause ist“, sagt Daimler-Chef Ola Källenius. „Der Wendepunkt rückt näher, und wir werden bereit sein, wenn die Märkte bis zum Ende des Jahrzehnts vollständig auf Elektroautos umstellen.“

Dazu gehört auch die neu angekündigte Plattform-Strategie – Daimler spricht hier von Architekturen. In diesem Jahr debütiert der EQS auf Basis der neuen Electric Vehicle Architecture (EVA), zudem soll 2024 die Mercedes Modular Architecture als Misch-Plattform für Kompaktwagen kommen – diese wird zwar mit E-Fokus entwickelt, kann aber auch noch Verbrenner aufnehmen.

Drei neue E-Plattformen im Jahr 2025

Die MMA könnte dann auch eine der letzten Verbrenner-kompatiblen Plattformen von Daimler werden. Denn 2025 sollen gleich drei neue reine E-Plattformen debütieren. MB.EA deckt oberhalb der MMA alle mittelgroßen und großen Pkw ab und „wird als skalierbares modulares System die elektrische Basis des künftigen BEV-Portfolios“, so Daimler. Für die Performance-Modelle ist die „auf Spitzenleistung ausgelegte Elektro-Plattform“ AMG.EA gedacht, die sich an „die Bedürfnisse der technologieaffinen und leistungsorientierten Kunden von Mercedes-AMG richtet“. Auf Basis der ebenfalls neuen VAN.EA sollen elektrische Vans und leichte Nutzfahrzeuge auf den Markt kommen. Alle weiteren neuen Plattformen sollen in der Folge ebenfalls rein elektrisch sein.

„Mit diesem Schritt ist eine grundlegende Re-Allokation von Kapital verbunden“, sagt Källenius. „Wir wollen die beschleunigte Transformation profitabel gestalten und damit die Erfolgsgeschichte von Mercedes-Benz in einer neuen Ära fortschreiben. Ich bin überzeugt, dass uns das mit unserer hochqualifizierten und hochmotivierten Belegschaft gelingen wird.“ An den bereits bekannten Profitabilitätszielen hält Källenius trotz (oder womöglich auch wegen) der beschleunigten Transformation fest.

Um das Unternehmen, das bis dahin nach der Abspaltung des Truck- und Bus-Geschäfts nur noch aus den Sparten Pkw und Vans bestehen wird, profitabel zu halten, will Daimler die Wertschöpfungsanteile erhöhen und die Antriebstechnologien insourcen. Dazu wird Daimler auch den britischen Elektromotor-Spezialisten Yasa übernehmen. „Mit dieser Übernahme erhält Mercedes-Benz Zugang zu einzigartiger Technologie im Bereich Axialflussmotoren und Expertise für die Entwicklung von Ultra-High-Performance-Axialflussmotoren“, so Daimler in der Mitteilung.

Sprich: Anstatt die Antriebe (wie etwa beim EQC und EQV) zuzukaufen, will Daimler nicht nur Entwicklungskompetenzen ausbauen, sondern auch die dazugehörige Fertigung. Eigene Elektromotoren seien ein wichtiger Bestandteil der Strategie „mit einem klaren Fokus auf die Effizienz und die Kosten des gesamten Systems, einschließlich Wechselrichter und Software“.

Acht Zellfabriken mit Partnern geplant

Auch bei den Batterien für die neuen Plattformen – den globalen Bedarf beziffert Daimler auf mehr als 200 GWh – wollen die Stuttgarter teilweise in die Wertschöpfung einsteigen: Gemeinsam mit Partnern sollen weltweit acht Gigafactories zur Zellfertigung aufgebaut werden – ein Zieljahr hierfür wird aber nicht genannt. Die Zellen sollen dann in den neun bereits geplanten und bestehenden Werken zur Produktion von Batteriesystemen verarbeitet werden. „Die Zellproduktion ermöglicht es Mercedes-Benz, das bestehende Powertrain-Produktionsnetzwerk zu transformieren“, so Daimler.

Namen und Standorte nennt Mercedes noch nicht – es heißt aber, in Europa wolle man „mit neuen Partnern“ zukünftige Zellen sowie Module entwickeln und effizient produzieren – was auch immer das für die bestehenden Zelllieferanten und -Partner (wie etwa Farasis Energy) bedeutet.

Dabei planen die Stuttgarter ebenfalls eine Art „Einheitszelle“, gehen aber wohl nicht so weit wie der VW-Konzern. „Die nächste Batteriegeneration wird hochgradig standardisiert und für den Einsatz in mehr als 90% aller künftigen Mercedes-Benz Pkw und Vans geeignet sein. Gleichzeitig wird sie sehr flexibel sein, um allen Kundinnen und Kunden von Mercedes-Benz individuelle Lösungen anzubieten“, heißt es in der Mitteilung. Ob das einen standardisierten Baukasten mit unterschiedlichen Formaten oder ein starres Format mit unterschiedlichen Zellchemien für die jeweiligen Segmente beinhaltet, geht daraus nicht hervor.

Vision EQXX soll 1.000 Kilometer Reichweite schaffen – dank hoher Effizienz

In der Mitteilung bestätigt Daimler auch die Pläne für die Recyclingfabrik im badischen Kuppenheim, über die wir bereits berichtet haben. „Der Start ist für 2023 geplant – abhängig von den vielversprechenden Gesprächen mit den Behörden“, heißt es nun.

Um die Fortschritte bei der Batterie-Kompetenz und im Fahrzeugbau zu verdeutlichen, hat Daimler zudem das Konzeptfahrzeug Vision EQXX angekündigt, das 2022 vorgestellt werden soll. Der EQXX soll auf eine reale Reichweite von mehr als 1.000 Kilometern kommen – und zwar nicht wegen einer enorm großen Batterie, sondern einem „einstelligen Verbrauchswert für Kilowattstunden pro 100 Kilometer bei normaler Geschwindigkeit auf der Autobahn“. Die Erkenntnisse bei Batterie, hocheffizientem Antrieb (an dem auch Experten von Mercedes-Benz F1 High Performance Powertrain (HPP) beteiligt sind) und auch der Aerodynamik sollen „auf die neuen Fahrzeugarchitekturen von Mercedes-Benz übertragen werden“.

Neben der Reichweite sollen Elektroautos auch mit verbesserten Ladediensten massen-tauglich gemacht werden. Mercedes verweist dabei auf die Premiere von „Plug&Charge“ im EQS, kündigt aber keine weiteren Modelle mit der Funktion an. Man arbeite mit Shell an der Erweiterung des „Mercedes me Charge“-Ladenetzes. Und: Mercedes plant eigene „Premium-Ladestationen“ in Europa, „die den Kunden ein maßgeschneidertes Ladeangebot an herausragenden Standorten bieten sollen“. Ähnliche Konzepte haben bereits Audi und Porsche vorgestellt.
daimler.com

5 Kommentare

zu „Daimler will ab 2025 nur noch Elektro-Plattformen einführen“
Martin
23.07.2021 um 08:59
Die Autobauer machen den selben Fehler wie die Telefongesellschaften Anfang der 1990er-Jahre. Damals dachten alle, sie würden in den kommenden Jahren ganz Afrika mit Telefonleitungen überziehen. Dann kam das Handy und die Afrikaner brauchten die alte Technologie nicht. Was glauben denn die Manager, was passieren wird, wenn E-Autos in wenigen Jahren in der Anschaffung billiger sein werden als Verbrenner? Dass die Dritte Welt lieber weiter die teureren Stinker kaufen wird? Und für dieses kurzsichtige Denken schäffeln sie Millionen. Liebe Aufsichtsräte, gebt doch lieber mir ein anständiges Beratungshonorar und spart euch Milliarden!
Tobias
23.07.2021 um 12:03
Das Beispiel widerspricht ja genau Deiner These. Denn Du sagst Afrika wurde nicht mit Telefonleitungen überzogen. Genauso stellt sich die Frage, ob Afrika mit einem Ladestationen-netz überzogen wird.Und die Autobauer gehen davon aus, das dies in Afrika länger dauert die Infrastruktur zu schaffen und deswegen der Wechsel langsamer läuft. Also bestätigst Du mit Deinem Beispiel Festnetzleitungen eher deren Vorgehen.Man darf auch nicht vergessen, dass Elektroautos in Deutschland nur deswegen 10% der Zulassungszahlen erreichen weil diese massiv subventioniert und gefördert werden, was sich afrikanische Staaten nicht leisten können.Es wird dort also sicher nicht so schnell gehen wie in Europa.
Peter Lustig
23.07.2021 um 15:54
Da schlägt ein Verbrenner Herz in der Brust
Christian
23.07.2021 um 13:47
Man muss die Elekroautos als einen Bestandteil der Strom/Wärme/Mobiltätsstrategie sehen und bidirektionales Laden wollen und fördern. Die e-Autos können unsere Kraftwerkslandschaft revolutionieren, wenn man von zentral auf dezentral und smart umschwenkt. Dies wäre sinnvoll, kann sich aber auch nur ein reiches Land wie Deutschland leisten.
Udo
23.07.2021 um 18:17
Hoffentlich hat man in Stuttgart daran gedacht das der Klimawandel auf der ganzen Welt stattfindet

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