Die eMobility-Ambitionen der großen Autovermieter

Die E-Auto-Bestellmengen von Autovermietern muten astronomisch an: Sixt ordert 100.000 E-Autos allein von BYD. Diese News kam Anfang der Woche herein. Fakt ist, dass Branchengrößen wie Sixt, Hertz, Avis und Europcar um das klassische Business zunehmend innovative Mobilitätspakete schnüren – und vor diesem Hintergrund im großen Stil E-Autos bestellen.

In Deutschland hatten die Autovermieter zum Stichtag 1. Januar 2022 rund 256.400 Pkw in ihrem Bestand. Die Erneuerung der Flotte ist permanente Kernaufgabe, das Gros der Fahrzeuge bleibt nur einige Monate in der Flotte. So erklärt sich auch, dass Vermieter im Jahr 2021 in der Bundesrepublik laut statista.com rund 270.200 Pkw neu zugelassen haben. Eine Zahl, die den Bestand übersteigt – und die ein oder andere Großbestellung relativiert. Viele Kunden dürften durch die Miete erstmals mit Elektroautos in Berührung kommen. Für Hersteller ist das ein zusätzlicher Anreiz, mit ihren Stromern in die Mietflotten vorzudringen.

Und das ist BYD nun erstmals in Europa gelungen. Wer es noch nicht mitbekommen hat: Sixt und der chinesische Hersteller haben dieser Tage einen Rahmenvertrag geschlossen, der Sixt den Zugriff auf bis zu 100.000 E-Autos von BYD innerhalb von sechs Jahren zusichert. Diese Zahl bezieht sich wohlgemerkt nicht auf Deutschland, sondern auf ganz Europa. Die ersten BYD-Stromer sollen noch im vierten Quartal 2022 für Sixt-Kunden verfügbar sein – also parallel zum Europa-Marktstart des chinesichen Herstellers. Die Ankündigung lässt aufhorchen, passt aber ins Bild: Erst im September hatte Sixt angekündigt, bis Ende 2023 in Europa zwölf bis 15 Prozent und bis 2030 dann 70 bis 90 Prozent der über die Sixt-App buchbaren Fahrzeuge zu elektrifizieren.

Der kleine Haken daran: Zu diesen Prozentangaben zählen neben Elektroautos und Plug-in-Hybriden auch Mildhybride – der Anteil an Fahrzeugen, der tatsächlich nennenswerte Strecken rein elektrisch fahren können, wird also geringer sein. Präziser in die Karten schauen, lässt sich Sixt bei der Beschaffungsstrategie nicht. Es heißt lediglich, dass man bis Ende 2022 insgesamt 20 neue Elektro- und Plug-in-Modelle zur Verfügung stellen wolle, um „die größtmögliche Vielfalt“ zu bieten. Als Hersteller exemplarisch genannt werden Audi, Opel, BMW, Peugeot und Tesla.

Seit dieser Woche darf man getrost BYD hinzufügen. Dass es sich um einen chinesischen Hersteller handelt, polarisiert in der Öffentlichkeit (auch an den Kommentaren bei uns ablesbar). Sixt setzt damit bewusst ein Ausrufezeichen. Während der Autovermieter die Bestellung bei BYD groß ankündigt, wurden Teslas Model 3 und Model Y in Deutschland ohne nennenswerte Öffentlichkeitsarbeit vonseiten des Unternehmens eingeflottet und im Frühjahr erst von Internet-Usern im Sixt-Portal entdeckt.

Was Hertz, Avis und Europcar planen

Konkurrent Hertz hat bei der Elektrifizierung vor allem den nordamerikanischen Markt im Blick und hat dort sukzessive die Beschaffung von insgesamt bis zu 340.000 Elektroautos bei Tesla, Polestar und General Motors angekündigt. Diese E-Autos sollen künftig allein an 500 Hertz-Standorten in 38 US-Bundesstaaten bereitgestellt werden. Das aktuelle Ziel des Unternehmens ist es, bis Ende 2024 ein Viertel seiner Flotte elektrisch zu betreiben.

Hertz äußert explizit die größte Mietflotte an Elektrofahrzeugen in Nordamerika aufbauen zu wollen. Für Europa sind zwar keine expliziten Beschaffungsinitiativen bekannt, aber bei der Präsentation seiner Q1/2022-Geschäftszahlen gab das Unternehmen bekannt, E-Autos in mehr als 30 Märkten zu betreiben und die Beschaffung intensivieren zu wollen. Vor allem im Geschäftskunden-Bereich werden Elektroautos stark nachgefragt – so der Tenor sowohl bei Hertz als auch bei Sixt.

Die Mitbewerber Avis und Europcar rücken die Elektrifizierung ihrer Flotten nur punktuell ins Licht. Avis gab etwa im Frühjahr bekannt, das Model 3 und Model Y von Tesla in seine Mietwagenflotte in Deutschland aufgenommen zu haben. Wie viele Exemplare eingeflottet wurden, gab Avis nicht an. Stattdessen hieß es eher allgemein, dass sich die deutsche Bevölkerung „eine innovative, ökologische und verantwortungsbewusste Art des Autofahrens“ wünsche. Da sich einige Menschen bei der Anschaffung von E-Autos noch unsicher seien, könne eine zeitlich begrenzte Anmietung hier Abhilfe schaffen.

Zu längerfristigen Plänen hat sich Avis öffentlich bisher nicht geäußert. Anders Europcar: Der Autovermieter hat sich zum Ziel gesetzt, dass bis Ende 2023 mehr als ein Drittel seiner Mietflotte in Europa aus BEV, PHEV oder HEV besteht. Damit will das Unternehmen „verantwortungsvoll und nachhaltig attraktive Alternativlösungen zum Besitz eines eigenen Fahrzeugs anbieten“.

Gemeinsam ist allen Autovermietern, dass die E-Mobilität ihr Kerngeschäft verändert – man bedenke nur, dass Automieter ihr Fahrzeug aktuell kurz vor der Abgabe volltanken. Bei einem E-Auto ist ein längerer Ladeprozess vor der Rückgabe schlecht umsetzbar. Die Branchengrößen sind also sowohl auf Ladeinfrastruktur für den internen Gebrauch angewiesen, als auch auf ein dichtes Ladenetz für ihre Kunden unterwegs. Ohne Partner kaum machbar.

Sixt hat vor diesem Hintergrund angekündigt, über die kommenden Jahre 50 Millionen Euro in seine eigene Ladeinfrastruktur an den Stationen zu investieren. Diese Zahl wurde von Co-Chef Alexander Sixt bereits im August 2021 genannt und von Sixt in einem ausführlichen Interview mit electrive.net bestätigt. Neueste Lade-Pläne gehen aber weiter: Sixt will seinen Kunden mit Hilfe von namentlich noch nicht genannten Partnern im Laufe des kommenden Jahres einen flächendeckenden Zugang zum größten Teil aller öffentlich verfügbaren, aktuell 300.000 Ladepunkte in den europäischen Ländern des Unternehmens bieten. Dies soll über das neue Produkt Sixt charge geschehen, das in die Sixt-App integriert wird.

Hertz will selbst öffentliche Ladesäulen aufstellen und hat seine Partnerwahl – zumindest in den USA – getroffen. Der Konzern hat vor wenigen Tagen eine Absichtserklärung mit BP Pulse unterzeichnet. Das Unternehmen soll im Auftrag von Hertz landesweit Schnellladestationen aufbauen, betreiben und über seine Software Omega verwalten. Für den Großkunden Hertz soll die Omega-Software zudem so erweitert werden, dass „die wachsende Flotte von Elektroautos von Hertz zwischen den Anmietungen schnell und effizient aufgeladen wird“. Die Ladepunkte sollen explizit nicht nur für Hertz-Autos zugänglich sein: Auch die Öffentlichtkeit sowie Taxi- und Ridesharing-Fahrer sollen die Ladesäulen nutzen können. Über die Europa-Ladestrategie des Unternehmens ist bisher nichts bekannt.

Auch von Avis sind keine großen Ladeinfrastruktur-Ambitionen bekannt. Das Unternehmen gibt auf seiner deutschen Webseite den Hinweis, dass E-Autos mit leerer Batterie (mindestens 10 % Batteriekapazität) wieder abgeben werden können, ohne dass die Differenz zur vollen Batterieladung bei Fahrantritt bezahlt werden muss. Ergo hat Avis Ladeinfrastruktur für den internen Gebrauch parat. Weiter heißt es: „Falls Sie während der Anmietung den Elektromietwagen trotzdem laden müssen, empfehlen wir Ihnen vorab die App eines Stromanbieters für E-Autos herunterzuladen und einzurichten“. Es wird also auf Dritte verwiesen.

Europcar baut in Europa vor allem auf Ladeinfrastruktur-Anbieter Shell Recharge (ehemals NewMotion). Beide Unternehmen haben 2020 eine Kooperation geschlossen, in deren Zuge Shell Recharge der Europcar Mobility Group sein Lade-Ökosystem für Elektroautos zur Verfügung stellt. Wer von dem Fahrzeugvermieter ein Elektroauto ausleiht, erhält eine Shell Recharge-Ladekarte – und damit Zugang zu über 270.000 Ladepunkten in Europa.

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