NACS wird SAE-Ladestandard – und nun auch von Volkswagen unterstützt

Der von Tesla selbst zum „North American Charging Standard (NACS)“ ernannte Schnellladeanschluss wird nun tatsächlich zu einem Standard in Nordamerika. Die SAE International hat den Standardisierungsprozess finalisiert. Parallel springt nun auch der Volkswagen-Konzern auf den NACS-Zug auf: Ab 2025 werden in Elektroautos des Konzerns erstmals Tesla-Ladeports verbaut.

Bild: Tesla

Die Standardisierungsorganisation SAE International („Society of Automotive Engineers“) hat weniger als ein halbes Jahr nach ihrer Ankündigung, den Tesla-Anschluss zu standardisieren, den „SAE J3400 North American Charging Standard (NACS) Electric Vehicle Coupler Technical Information Report“ veröffentlicht – und damit den Standardisierungsprozess abgeschlossen. Wortwörtlich teilt die SAE International mit: „Der Standard (…) trägt (…) dazu bei, dass jeder Lieferant oder Hersteller den J3400-Stecker für Elektrofahrzeuge und Ladestationen in ganz Nordamerika verwenden, herstellen oder einsetzen kann.“ Der zugehörige Report sei „durch einen breiten Industriekonsens in der SAE Hybrid-EV J3400TM NACS Electric Vehicle Coupler Task Force entwickelt“ worden.

Kurzer Rückblick: Im Frühsommer erregten FordGeneral Motors und Rivian Aufsehen mit der Ankündigung, künftig den Tesla-Port in ihren Autos zu verbauen. Die Liste von Herstellern mit ähnlichen Deals wurde seither immer länger. Auch wenn Tesla den NACS frühzeitig als „Standard“ bezeichnete, war er dies zunächst noch nicht. Es handelte sich vielmehr um eine Tesla-eigene Entwicklung, die nicht die üblichen Zertifizierungsverfahren durchlaufen hat. Auf diese Tatsache machte im Sommer unter anderem die angesichts der Dynamik aufgeschreckte CCS-Organisation CharIN aufmerksam und kündigte an, mit einer Arbeitsgruppe aus 51 Unternehmen ein solches Verfahren anstoßen zu wollen. Auch SAE International kündigte seinerzeit an, dass sie den NACS-Anschluss von Tesla standardisieren wird – und zwar in einem „beschleunigten Zeitrahmen“. Damit ist die Organisation nun fertig.

„SAE J3400TM bietet eine Blaupause für die kosteneffiziente Massenelektrifizierung des Transportwesens in Nordamerika“, kommentiert Rodney McGee, Vorsitzender der SAE J3400TM NACS Task Force und Forschungsingenieur am Transportation Electrification Center an der Universität von Delaware. „Er erleichtere eine breite Interoperabilität für EV-Ladelösungen, indem er einen einheitlichen, kompakten Stecker sowohl für das AC- als auch für das DC-Laden bietet. „Er ist kompatibel mit Lösungen, bei denen man sein eigenes Kabel mitbringen kann, was den J3400 zu einem optimalen Ansatz für die AC-Stromübertragung für das Laden auf der Straße, in Parkhäusern und -plätzen sowie in Gebäuden mit mehreren Einheiten oder gemischter Nutzung macht.“ Ergo kann beim NACS das Laden mit Wechsel- oder Gleichstrom über einen Stecker erfolgen.

William Navarro Jameson, Strategic Charging Programs Lead bei Tesla, bezeichnet den Schritt auf Linkedin als „wichtigen Meilenstein für das Laden von Elektrofahrzeugen in Bezug auf den NACS“. Mit dieser Aktualisierung sei Tesla „nicht mehr die Quelle der Wahrheit für die technische Spezifikation“ und NACS auf dem besten Weg, im Laufe des nächsten Jahres als offizieller SAE-Standard veröffentlicht zu werden.

Das US-Verkehrsministerium reagiert auf den finalisierten Standardisierungsprozess mit der Ankündigung, seine Mindestanforderungen für staatlich finanzierte Ladestationen zu überprüfen. Dazu wird das Ministerium „bald“ eine Informationsanfrage veröffentlichen, um Feedback von Marktteilnehmern einzuholen – mit dem Ziel, dieses in seine Vorschriften für staatlich finanzierte Ladestationen zu integrieren. Hintergrund: Die aktuellen Bundesanforderungen erlauben alternative Steckertypen für alle staatlich finanzierten DC-Schnellladegeräte, solange es auch einen CCS-Stecker (Combined Charging System) gibt. Die Förderung erfolgt im Zuge des 7,5 Milliarden Dollar schweren Bipartisan Infrastructure Law.

Mit der in Aussicht gestellten Informationsanfrage will das Ministerium sicherstellen, „dass neue Technologien und Innovationen wie J3400TM in die Mindeststandards und Anforderungen für staatlich finanzierte Ladestationen (…) einfließen und dass das verfügbare Netz an Ladestationen für Elektrofahrzeuge die Bedürfnisse der Verbraucher jetzt und in Zukunft erfüllt“.

Shailen Bhatt, Adminstrator der zum Verkehrsministerium gehörenden Federal Highway Administration, kommentiert: „Die Ladetechnologie für Elektrofahrzeuge entwickelt sich rasant weiter, und es ist wichtig, dass die Bundesregierung damit Schritt hält. Wir arbeiten Hand in Hand mit unseren Partnern auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene sowie dem Privatsektor, um sicherzustellen, dass das nationale E-Ladenetz den Bedürfnissen aller E-Fahrer gerecht wird, unabhängig davon, welche Art von Elektrofahrzeug sie fahren.“

Fast unter geht im Zuge dieser Neuigkeiten, dass nun auch der Volkswagen-Konzern auf den NACS-Zug aufspringt. Laut Tesla-Manager William Navarro Jameson handelt es sich um den letzten großen Hersteller von Elektrofahrzeugn in Nordamerika, der sich zum NACS bekennt. Wie der deutsche Konzern mitteilt, werden in neuen, für den nordamerikanischen Markt bestimmten Elektroautos der Marken VW, Audi, Porsche und Scout ab 2025 Tesla-Ladeports verbaut. Bestehende Stromer erhalten via Adapter Zugang zum Supercharger-Netzwerk von Tesla.

Wie genau der Adapter aussehen wird, präzisiert Volkswagen noch nicht. Die Marken „untersuchen Adapterlösungen für bestehende Fahrzeuge“ heißt es. Klar ist aber bereits, dass die Vereinbarung Kunden den Zugang zu mehr als 15.000 Superchargern bieten soll – zusätzlich zu den gut 3.800 DC-Schnellladestationen von Electrify America und Electrify Canada. Beide gehören bekanntlich zum Volkswagen-Konzern.

Tochter Electrify America selbst hatte bereits Ende Juni angekündigt, dass sie sich dafür einsetzen werde, bis 2025 den NACS-Stecker an Ladestationen in Nordamerika anzubieten und CCS weiterhin zu unterstützen. Geplant sei, bis 2025 an allen bestehenden und neuen Ladestationen der Netzwerke in Nordamerika neben CCS auch eine NACS-Anschlussoption anzubieten, teilte Electrify America seinerzeit mit. Dies schließt das Netz des kanadischen Ablegers Electrify Canada mit ein.

„Dies ist eine großartige Nachricht für unsere Elektrofahrzeugkunden in der Region Nordamerika“, äußert Pablo Di Si, Präsident und CEO der Volkswagen Group of America, nun zu dem Deal, auch die Konzern-Fahrzeuge auf NACS umzustellen. „Damit erhalten sie potenziell Zugang zu mehr als 15.000 zusätzlichen Ladepunkten sowie zu den derzeit fast 4.000 DC-Schnellladestationen, die von Electrify America betrieben werden. Das würde bedeuten, dass die Kunden unserer absatzstarken Elektrofahrzeuge wie dem Volkswagen ID.4 Zugang zu einem umfangreichen und wachsenden Ladenetz haben werden.“

Rebecca Tinucci, Senior Director of Charging bei Tesla, äußert sich zum Beitritt Volkswagen wie folgt: „Anfang des Jahres war der nordamerikanische Ladestandard nur eine Idee. Heute, mit dem Engagement des VW-Konzerns, sind fast alle großen Automobilhersteller an Bord und stehen hinter der gemeinsamen Vision, die Ladeerfahrung für alle E-Fahrer zu verbessern. Dies ist nur der Anfang unserer branchenweiten Bemühungen, den Übergang der Welt zu nachhaltiger Energie zu beschleunigen.“

sae.org (Pressemitteilung), sae.org, highways.dot.gov, media.vw.com

6 Kommentare

zu „NACS wird SAE-Ladestandard – und nun auch von Volkswagen unterstützt“
c3po
20.12.2023 um 18:16
Bravo VW !!! Für NACS sich zu entscheiden, ist absolut richtig.
Frank
21.12.2023 um 08:42
"Dies ist nur der Anfang unserer branchenweiten Bemühungen, den Übergang der Welt zu nachhaltiger Energie zu beschleunigen.“Na dann sind wir mal gespannt in welchen Themen Herr Musk uns noch "beschleunigt". Eventuell sollte man ihm mal etwas von Kartenterminals und Eichrecht erzählen.
JK
03.01.2024 um 01:14
Glaub dieser Elon hat sie gehört. Nur wegen Ihnen haben die neuen Supercharger jetzt Kartenterminals. Verrückt Das ging ja schnell. Aber das wussten Sie ja bestimmt bereits bevor Sie ihren hervorragenden Kommentar formuliert haben...
Dirk
21.12.2023 um 11:57
Sehr schade, dass unsere damalige Unions-Regierung es zum gegebenen Zeitpunkt es nicht geschafft hat oder es nicht wollte, dass es weltweit Standards gibt. Mir scheint, das war eine von mehreren merkelschen Passiv-Strategien, um die E-Mobilität zu verzögern.Jetzt verschwindet so langsam ChaDeMo vom Markt (die Altfahrzeuge haben also erhebliche Wertverluste) und nun ordnet sich CCS hinter J3400 ein.Da CCS und Tesla (aber m.W. nicht mit J3400? sondern einem CCS-kompatiblen System?) bei uns schon stark etabliert ist haben wir also für absehbare Zeit immer noch mehrere Systeme, für die man bestenfalls Adapter bekommt und mitschleppen muss. Die Hersteller müssen also verschiedene Linien fahren, um das zu bedienen und die Endkunden müssen ggf. damit klarkommen (z.B. bei internationalem Fahrzeughandel, Gebrauchfahrzeuge usw.).
Sebastian
07.02.2024 um 15:43
Bei uns verwendet Tesla selbst CCS. Neue Tesla Supercharger werden nur mit CCS gebaut. Adapter brauchen hierzulande einzig und allein Fahrer der Tesla-Modelle S und X. Die brauchen die Adapter übrigens sogar am Tesla-eigenen Supercharger. Das ist wohl eher das Ergebnis der erratischen Tesla-Produktpolitik als einer verfehlten Bundespolitik... J3400 wäre übrigens für das europäische Stromnetz keine gute Wahl, da über diesen Stecker AC nur einphasig geladen werden kann. Mit J3400 ausgerüstete Autos könnten in Deutschland an den meisten privaten Wallboxen und öffentlichen AC-Ladern nur noch mit max. 3,7 bis 4,6 KW laden statt wie bisher mit 11 kW oder sogar 22 kW. Es gibt also durchaus gute technische Gründe für unterschiedliche Standards und man kann froh sein, dass der amerikanische Standard uns in Europa nicht das Laden unnötig erschwert.
Sebastian
07.02.2024 um 15:56
Im Übrigen hat die Politik, genauer gesagt die EU, schon 2014, also vor fast zehn Jahren, CCS zum europäischen Standard erklärt: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32014L0094 Seitdem war eigentlich klar, dass ChaDeMo in Europa ein Nischendasein fristen wird. Wer seitdem auf einen anderen Standard als CCS gesetzt hat, hätte zumindest von dem Risiko wissen können.

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