milence ladestation charging station e lkw electric truck niederlande netherlands venlo 2023 02 min
Bild: Milence
HintergrundInfrastruktur

Milence: Standortbestimmung an der Schwelle zum Megawattladen

Das Joint Venture Milence leistet mit drei Ladeparks für Trucks Pionierarbeit: in den Niederlanden, Belgien und – frisch angekündigt – in Frankreich. Bis 2027 soll sich sein Ladenetz bereits über 15 Nationen spannen. Wir fassen zusammen, wie sich Milence kurz vor der Einführung des Megawattladens aufgestellt hat. Denn: 2025 sollen auch erste MCS-Lader verbaut werden.

Milence plant in Europa im Auftrag seiner Anteilseigner Daimler Truck, Traton und der Volvo Group bekanntlich die Installation von 1.700 Ladepunkte innerhalb von fünf Jahren – also bis Ende 2027. Der Anfang ist mit dem ersten in Betrieb genommenen Ladepark in Venlo nahe der niederländisch-deutschen Grenze gemacht. Noch in diesem Monat soll ein Standort in der französischen Normandie betriebsbereit sein. Und für das laufende Quartal ist die Eröffnung eines Ladeparks im belgischen Hafen Antwerpen-Brügge angekündigt. Noch nicht final bestätigt, aber bereits angekündigt ist darüber hinaus eine weitere Location im belgischen Gent.

Laut Koen Noyens, Head of Public Affairs bei Milence, handelt es sich bisher um Hubs mit zehn bis 20 Ladepunkten. Weitere Ankündigungen werden bald folgen – teils an vielbefahrenen Logistik-Korridoren, teils aber auch an Häfen oder Depots. Aufgebaut werden die Standorte gemäß eines „modularen Ansatzes“. Dies bedeutet, dass in einem ersten Schritt acht Ladepunkte errichtet („Ladepark S“), die Standorte aber teils schon für weitere Lademöglichkeiten vorbereitet werden. Die größtmögliche Konfiguration („Ladepark XL“) sieht 64 Ladepunkte vor. Laut Noyens sind von diesen aber nur einige wenige geplant. Als Hardware-Lieferant agiert – wie im Fall von Venlo – das Unternehmen Alpitronic. Seit Oktober ist zudem bekannt, dass das finnische Unternehmen Kempower einer der Hardware-Zulieferer für Milence sein wird. Die Finnen haben just diese Woche den Marktstart eines ersten MCS-Geräts angekündigt. Zu weiteren möglichen Lieferanten ist bisher noch nichts publik. Allerdings präsentierte Milence auf der Messe Solutrans jüngst zusammen mit Hitachi Energy einen MCS-Prototypen.

Anlagen auf Brown- oder Greenfield

Zuletzt gewährte Milence einige Einblick in die Planungsprozesse und den Aufbau der Standorte. So ist das Unternehmen auf der Suche nach sogenannten Brownfield- oder Greenfield-Standorten – also Flächen, die bereits bebaut sind und zu Lade-Hubs umgewidmet werden können, oder Arealen „auf der grünen Wiese“. Noyens erläutert, dass es Unternehmen mit riesigen Depots gebe und Milence Gespräche führe, auf deren „Brownfields“ Ladeparks zu eröffnen. So geschehen etwa im Fall des für dieses Quartal angekündigten Hafens Antwerpen-Brügge. Laut dem Milence-Pressechef bestehe bei diesen Anlagen aber eine gewisse „Investment-Challenge“. Und gemäß den Statuten von Milence müssen die Flächen auch in solchen Fällen 24/7 zugänglich und die Lader für alle Lkw-Modelle kompatibel sein.

Der geläufigere Use Case sind Ladeparks an viel befahrenen Autobahnen, wo Milence Gelände kauft oder pachtet und die Lader installiert. Bei der Standortsuche richtet sich das Unternehmen laut Noyens nach einem Planungstool, führt aber auch Gespräche mit Logistikern, wo ein Hub Sinn ergeben würde. Interessant sind für das Joint Venture dabei nur Orte, die maximal fünf Autominuten von der nächsten Autobahnabfahrt entfernt liegen, über mindestens 20 Jahre gepachtet oder gekauft werden können und mindestens 5.000 Quadratmeter groß sind. Als weitere Voraussetzung nennt Noyens einen realisierbaren Netzanschluss von zwei Megawatt, jedoch besser vier Megawatt.

Das Netz ist dem Milence-Pressechef zufolge ohnehin ein großes Thema für sich. „Wir befinden uns in Gesprächen mit Netzbetreibern in ganz Europa. Denn die Kapazitäten, die wir an unseren Ladeparks brauchen, stellen eine Herausforderung dar.“ Noyens zeigt auf, dass abhängig vom Stromverbrauch, der Fahrgeschwindigkeit (80 oder 90 km/h) und der Ladezeit (30 oder 45 Minuten) künftiger Lkw der Leistungsbedarf beim Schnellladen zwischen 480 kW und 1,4 MW variieren wird. Die Ladeparks können zwar über ein Lade- und Energiemanagement mit dem Strom haushalten, sind aber trotzdem auf hohe Netzanschlussleistungen angewiesen. Dabei spielt die potenzielle Erweiterbarkeit der Anlagen eine wichtige Rolle. Dafür bräuchten die Standorte auf längere Sicht fünf bis 15 Megawatt. „Oft bekommen wir dann die Antwort, dass das vielleicht 2032 oder 2035 realistisch ist. Aber das muss schneller gehen“, so Noyens.

Reihe an politischen Weichenstellungen nötig

Als bereits teils realisierte oder wünschenswerte politische Weichenstellung nennt das Unternehmen darüber hinaus etwa Kaufanreize und Gewichts-Ausnahmeregeln für Elektro-Lkw, dem künftigen Ladevorgängen angepasste Ruhezeiten für die Fahrer und ambitionierte CO2-Vorgaben im Lkw-Sektor. Außerdem pocht Milence u.a. auf finanzielle Unterstützung für den Bau neuer Lkw-Rastplätze, eine schnelle MCS-Akzeptanz, die Anpassung des Stromnetzes und einen besseren (digitalen) Austausch mit allen für den Hochlauf benötigten Akteuren.

Vom Timing her sieht sich Milence zur richtigen Zeit in der richtigen Ausgangsposition. Das unterstrich Milence-Finanzchef Wolfgang Brand jüngst als Speaker bei unserer Online-Konferenz „electrive LIVE“. „Das Produkt ist da! Es sind mittlerweile genügend Elektro-Trucks mit ausreichend Reichweite verfügbar, die in der Lage sind, ihren Akku in der vorgeschriebenen 45 Minuten langen Fahrerpause aufzuladen.“ In dem digitalen Konferenzformat betonte er zudem, dass Milence die Fahrer ins Zentrum des Vorhabens rücken will. Denn, so Brand, der Schwerlastverkehr auf der Straße werde in ganz Europa zunehmen und dafür müsse der Beruf attraktiver werden. Deswegen wird Milence an seinen Standorten auch Annehmlichkeiten wie Toiletten, Duschen, Verpflegung und Grünflächen schaffen.

Brand äußerte zudem dass Milence beim Aufbau der Ladeinfrastruktur „vor der Welle“ sein wolle – also den Hochlauf der E-Lkw nicht erst abwarte. „Während es bei einem Elektroauto noch verzeihlich sei, wenn das Aufladen nicht an jedem Standort sofort klappt oder teils zu langsam ist, ist das in der Logistik keine Option.“ Deswegen müssen in seinen Augen auch Megawattlader so schnell wie möglich auf die Straße kommen, „damit alles da ist, wenn der Lkw kommt“. Das Henne-Ei-Problem, das lange Zeit die Diskussion rund um die Elektromobilität im Pkw-Bereich dominierte, soll bei der Lkw-Branche gar nicht erst aufkommen.

Noch setzt Milence auf 400 kW starke CCS-Ladepunkte. In Venlo umfasst der Debüt-Hub des Unternehmens vier nebeneinander gelegene E-Lkw-Ladeplätze, die von zwei Alpitronic-Säulen mit je zwei Anschlüssen versorgt werden. Noch für das erste Quartal kündigte das Unternehmend an, den Standort um vier weitere Ladepunkte erweitern zu wollen. Venlo liegt dem Joint Venture zufolge strategisch günstig für den internationalen Handel. Selbiges gilt für den Hafen Antwerpen-Brügge, der Milence mit dem Bau von zwei Lade-Hubs à 15 CCS-Ladepunkten auf zwei bestehenden Parkplätzen beauftragt hat. Bei dem Auftraggeber handelt es sich um den zweitgrößten Hafen Europas, in dem Waren aus 800 anderen Häfen ankommen und in Europa verteilt werden – und andersherum beim Export. Im Mai soll dort der Betrieb der beiden Lade-Hubs losgehen. In einer zweiten Ausbauphase wird die Anzahl der Lademöglichkeiten voraussichtlich weiter erhöht. Wie groß die Standorte nach dem Ausbau sein werden, ist zwar nicht publik. Aber die Hafenverwaltung stellt klar, dass Milence eine „schnelle Umstellung“ auf die Megawatt-Ladetechnologie MCS plane, sobald diese verfügbar ist.

Ladepark zwischen Paris und Le Havre

Milences erster Lkw-Ladepark in Frankreich soll unterdessen noch diesen Monat in Heudebouville, einem Logistikviertel südlich von Rouen, ans Netz gehen. Es handelt sich aus Sicht der Initiatoren um einen „strategisch günstigen Standort auf halbem Weg zwischen Paris und Le Havre“. Die Stadt Le Havre gilt als wichtige Hafenkommune in Nordfrankreich und markiert die Stelle, wo die Seine in den Ärmelkanal mündet. Der Ladepark befindet sich laut Milence vier Minuten von der Autobahn A13 entfernt und beherbergt zunächst vier CCS-Ladesysteme. In einer zweiten Ausbaustufe sollen auch hier weitere Lader installiert werden.

Alle Hubs sollen bereits optisch durch den sogenannten „Milence-Bogen“ (der auch als Pfeiler eines optionalen Dachs dient) als Ladestation des Joint Ventures identifizierbar sein und über die erwähnte Sanitäranlagen und Aufenthaltsqualität verfügen. Um das Gelände besonders sicher zu machen, ist die Zufahrt beschränkt. Die Ladesäulen selbst sind mit Kabeln und Steckern ausgestattet, die auf beiden Seiten der Fahrzeuge verwendet werden können. Wichtig bei CCS, denn die Ladeports befinden sich je nach Modell auf der linken oder rechten Seite. Beim MCS werden künftig alle Ladeports einheitlich links zu finden sein.

Künftig liebäugelt Milence darüber hinaus mit einem Reservierungssystem, um Logistikern das Laden ohne Wartezeit zu garantieren. „Logistiker sind sehr kostenorientiert“, ruft Pressechef Noyens in Erinnerung. „Die Planbarkeit ist für sie essenziell. Sie müssen im Vorfeld wissen, wo und wie lange geladen wird. Unsere Aufgabe ist, den Güterverkehr kalkulierbar zu machen.“

Im Laufe des Jahres werden wir häufiger von Milence hören. Denn: Mehrere Standorte, die 2024 öffnen sollen, habe man bereits an den „wichtigsten europäischen Verkehrskorridoren gesichert“, versicherte das Unternehmen jüngst. Parallel laufen bei dem Joint Venture die Vorbereitungen, um personell mitzuwachsen. Noyens berichtet, dass die Belegschaft mit rund 100 Mitarbeitern (Stand Dezember) im Laufe des Jahres auf gut 200 aufgestockt werden soll. Die aktuell zwei Büros in Amsterdam und Arnhem werden analog bald um weitere Präsenzen in anderen Ländern erweitert.

Prognose: Binnen einer Dekade eine Million BEV-Lkw

Milence wurde im Juli 2022 als Joint Venture von Daimler Truck, der Tration Group und der Volvo Group mit einer Startfinanzierung von 500 Millionen Euro gegründet und arbeitet als unabhängiges und eigenständiges Unternehmen. Die Leitung des Joint Ventures geht davon aus, dass BEV-Flotte im Lkw-Bereich in Europa binnen zehn Jahren auf mehr als 1 Millionen Einheiten anwachsen wird. Seinen Hauptschwerpunkt legt Milence zunächst auf die in seinen Augen wichtigsten europäischen Märkte – im Einzelnen die Niederlande, Deutschland, Frankreich, Belgien, Schweden und Norwegen.

Quelle: Milence Industry Keynote von Koen Noyens auf dem „European Symposium on Truck Megawatt Charging“ in Berlin, milence.com, milence.com (Rouen)

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