Autosalon Paris: Ein Messerundgang unter Strom

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Auf der „Mondial de l’Automobile“ in Paris, die jährlich im Wechsel mit der Frankfurter IAA stattfindet, stellen Elektroautos dieses Jahr einen beachtlichen Anteil der Exponate. Wen man auch fragt, der Tenor lautet: So viel E-Mobilität war in Paris noch nie. Ein Messerundgang von Cora Werwitzke.

Am Audi-Stand spielt sich eine charakteristische Szene ab: Vier Ingenieure krabbeln unter eine Batterie des Audi e-tron, die zu Demonstrationszwecken aus dem Auto isoliert und so aufgebockt wurde, dass sie sich von allen Seiten begutachten lässt. So wird die Dimension der extrem flachen, dafür aber großformatigen Batterie greifbar. Die vier Männer kauern unter dem Exponat auf dem Boden, klopfen das Material ab und fachsimpeln ganz offensichtlich angeregt über Details der Ummantelung. Einer trägt einen Messeausweis von PSA. Kein Zweifel, hier wird genauestens analysiert, auf welche Lösungen die Konkurrenz gekommen ist.

Viel wurde im Vorfeld geschrieben, dass der Autosalon in Paris mit den Absagen der Marke Volkswagen, von Ford, Nissan und Volvo einen Bedeutungsverlust hinnehmen muss. Das lässt sich nicht von der Hand weisen, doch Fakt ist, dass die präsenten OEMs ihre Chance darin sehen, Mut zur Gestaltung der Mobilitätswende zu beweisen. Die Hersteller betreiben in diesem Ausmaß wohl zum ersten Mal einen solchen Aufwand, um das Feld der Elektromobilität – vom Serienmodell bis zum Zukunftskonzept – mit geballter Markenidentität und Emotionen aufzuladen. Deutlich wird im Umkehrschluss auch, dass über Diesel auf dem Autosalon keiner mehr reden will. Die prominentesten Plätze im Rampenlicht hat der Selbstzünder an die neue Elektro-Generation verloren.

Machen wir’s konkret: Bei Audi ist der erst vor wenigen Wochen in San Francisco vorgestellte E-SUV e-tron auf dieser Messe größter Besuchermagnet aller Fahrzeuge der Ingolstädter. „Es ist das erste Mal, dass er in Europa gezeigt wird“, kommentiert ein Audi-Repräsentant die große Resonanz. Er bestätigt, dass der e-tron die anderen an dem Stand ausgestellten Neufahrzeuge an den ersten Messetagen in den Schatten gestellt hat. Jeder will sich – mit mehr oder weniger Körpereinsatz – einen Eindruck vom neuen Elektro-Flaggschiff der VW-Marke verschaffen.

Mercedes widmet seinem EQ-Label derweil einen eigenen Bereich, wenn auch etwas versteckt im hinteren Teil des Messeareals. Der Anfang September in Stockholm enthüllte EQC, der laut Mercedes-Vertriebschefin Britta Seeger bereits „Tausende von Registrierungen“ verbuchen konnte, wird vom EQ Silver Arrow, einer Handvoll Plug-in-Hybriden, Antriebsexponaten und Wallboxen flankiert. Das sei  mehr „Aufriss“ als je zuvor, formuliert ein Mitarbeiter salopp. Gut so! Darüber verschmerzen wir doch glatt, dass wir uns bis zum EQ-Bereich durch das AMG-Areal von Mercedes schlagen mussten, in dem u.a. ein Soundgerät Motorenröhren in fünf individuellen Varianten bewarb. Wer’s braucht…

Bei Smart angekommen, hat sich das Verhältnis von Stromern zu Verbrennern bereits gänzlich umgekehrt. Die EQ-Modelle der Marke sind die Hauptakteure, drei Verbrenner fristen im hinteren Bereich ein Nischendasein. Kein Wunder, denkt sich der geneigte Messebesucher, soll Smart doch zur reinen Elektro-Marke werden. Der Auftritt in Paris kündet bereits davon.

Auch BMW rückt seine elektrifizierte Modellpalette inklusive iX3 Concept und i8 Roadster in die erste Reihe. Zusammen mit dem Jaguar I-Pace vom Stand gegenüber wähnt man sich hier im Elektro-Zeitalter schon angekommen, zumal Tesla nur wenige Meter entfernt ausstellt. Um das Model 3 hält sich konstant eine Menschentraube; jeder will mal anfassen, im besten Fall mal Probesitzen.

Mit viel Personal versucht daneben GAC Motors die Besucher heranzulotsen. Denn die Besucher zieren sich etwas. Die Resonanz ist verhalten, der chinesische Hersteller ist zum ersten Mal dabei. Noch besser: Es ist überhaupt der erste chinesische Branchenvertreter auf dem Pariser Autosalon. Vielen sagt die Marke noch kaum etwas. Dabei hat sich die Führungsspitze von GAC extra für die Messe die Neuigkeit aufgehoben, dass ihr Debütstromer, der bereits in China erhältliche E-SUV GE3, 2020 nach Europa kommen soll. Neben einem Exemplar des GE3 hat GAC in Paris auch die in Detroit erstmals gezeigte elektrische Zukunftsstudie namens Enverge als Blickfang dabei.

Wesentlich alltagsorientierter geht es bei Toyota zu: Gut 15 Fahrzeuge hat der japanische Autobauer hochpoliert, allesamt mit Hybridantrieb. Mit Blick auf Europa setzt der Hersteller alleine auf diese Karte. In Paris erstmals überhaupt zu sehen ist der Corolla Touring Sports. Der Kombi wird künftig in zwei Hybrid-Varianten mit 122 bzw. 180 PS Systemleistung angeboten. Ziemlich vermiest wird die Weltpremiere freilich von der Hiobsbotschaft, dass Toyota weltweit 2,4 Millionen Hybridautos zurückrufen muss. Es handelt sich bereits um den zweiten großen Rückruf binnen weniger Wochen. Miese Schlagzeilen und dazu mit Blick auf den Salon auch noch ein mieses Timing.

Kurzer Blick zu Hyundai und Kia: Für die beiden südkoreanischen Hersteller ist Europa ohne Zweifel ein lukrativer Absatzmarkt für ihre neue Elektroauto-Generation. Der e-Niro von Kia und der Hyundai Kona Elektro sind die unangefochtenen Aushängeschilder auf dem Branchentreffen an der Seine. Da reicht kein neuer Verbrenner ran.

Richtig Rummel herrscht bei den „Hausherren“ der Messe: Renault und die PSA-Marken Peugeot, Citroen und DS haben alles aufgefahren, was das aktuelle Elektro-Aufgebot hergibt. Peugeot inszeniert etwa seine Hybride (508 Hybrid PHEV, 508 SW Hybrid, 3008 Hybrid PHEV) auf einem beleuchteten Podest, so dass auch der Letzte versteht, dass hier die Garanten der Mobilitätswende stehen. Für Ästheten ist die Studie e-Legend ein Muss, eine vollelektrisch angetriebene und automatisiert fahrende Hommage an das legendäre 504 Coupé, das Peugeot zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert.

Renault fühlt sich unterdessen klar als Platzhirsch, was die schiere Menge an ausgestellten Autos angeht, aber vor allem in puncto Elektrifizierung. Der für die E-Auto-Entwicklung des Autobauers zuständige Gilles Normand spricht unentwegt in Mikrofone, betont die Relevanz des gerade enthüllten K-ZE für den chinesischen Markt und die Agilität, die Renault mit dem nun für 2020 angekündigten Launch einer Hybrid-Version des Clio bzw. von PHEV-Versionen der Modelle Captur und Mégane an den Tag lege. Einen starken Kontrast bildet die bereits im Alltag vieler Kunden angekommene Flotte aus Zoe, Twizzy, Kangoo Z.E. und Master Z.E. gegenüber der futuristischen Avantgarde aus EZ-PRO, EZ-GO samt der erstmals gezeigten Studie EZ-Ultimo. Letztere ist ein selbstfahrendes, elektrisches Premium-Roboterfahrzeug, das die EZ-Familie komplettiert, mit der Renault seine Vision von einer künftigen „geteilten Mobilität“ skizziert.

Zu guter Letzt von der Zukunftsperspektive zum Resumée im Hier und Jetzt: Auf dem Pariser Autosalon ist kaum mehr ein Hersteller ohne eigenes Elektromodell anzutreffen. Wenn sich das Verhältnis zwischen Neufahrzeugen mit Elektro- bzw. Hybridantrieb und jenen mit Verbrennungsmotor in gleicher Relation wie auf der Messe in zwei, drei Jahren auch in den Autohäusern abbildet, ist ein großer Schritt auf dem Weg zur elektromobilen Zukunft gemacht. Nicht nur in Paris.

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