ZUKUNFT.DE: Erkenntnisse aus der KEP-Branche für die KEP-Branche

Willkommen zu einer Analyse des Forschungsprojekts ZUKUNFT.DE, in dessen Rahmen zwischen 2018 und 2020 500 E-Transporter in Flotten der Logistikkonzerne DPD, GLS, Hermes und UPS integriert und ergänzend Ladeanlagen in den Depots errichtet wurden. Wir fassen die wichtigsten Punkte des Projekt-Abschlussberichts zusammen.

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Zum Einstieg ein kurzer Rückblick: ZUKUNFT.DE steht für „Zustellverkehre kundenfreundlich, nachhaltig, flexibel und transparent. Durch Emissionsfreiheit“. 2018 taten sich für das Projekt vier große – normalerweise konkurrierende – Logistikunternehmen zusammen, um in Baden-Württemberg, Hamburg und Hessen 500 E-Transporter für die innerstädtische Paketzustellung auf die Straßen zu bringen. Die Leitung des Modellprojekts hatte Hamburg, genauer die Projektleitstelle hySOLUTIONS, inne.

Zum Einsatz brachten die Partner rund 500 E-Transporter des Typs eVito (2,8 Tonnen) sowie eSprinter und e-Crafter (je 3,5 Tonnen) – und zwar in Flotten von DPD, GLS, Hermes und UPS in den Innenstädten von Hamburg, Stuttgart, Heilbronn, Mannheim, Darmstadt und Frankfurt. Neben der Praxiserprobung der E-Fahrzeuge stand die Entwicklung des Lade- und Lastmanagements an den beteiligten Depotstandorten im Fokus. Außerdem wurde das Projekt wissenschaftlich begleitet – und zwar vom Fraunhofer IAO, der Kühne Logistics University und der Frankfurt University of Applied Sciences (UAS). Letztere hat auch den hier im Fokus stehenden Abschlussbericht verfasst.

Petra K. Schäfer, Professorin für Verkehrsplanung an der Frankfurt UAS, liefert vorneweg ein kurzes Resümee: „Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Reichweiten und das Ladevolumen gerade für Touren im innerstädtischen Bereich ausreichend sind. Allerdings reichen die Reichweite und die Größe des Ladevolumens der aktuellen Fahrzeugmodelle leider noch nicht für einen flächendeckenden Einsatz von Elektrotransportern aus.“

Zur wissenschaftlichen Aufbereitung des Vorhabens analysierten die Akademiker verschiedene Depots, filterten Hemmnisse und Erfolgsfaktoren heraus, begleiteten insgesamt 18 Zustelltouren, befragten die zugehörigen Fahrer und führten insgesamt 19 Interviews mit den verantwortlichen Depotleitern. Ergänzend initiierten die Wissenschaftler Verkehrszählungen in Stuttgart, Hamburg und Frankfurt am Main und ermittelten auf dieser Basis, dass die Emissionen der KEP-Branche ein Prozent des gesamten Verkehrsaufkommens betragen.

„Eine vollständige Elektrifizierung der KEP-Branche kann demnach das aktuelle Umweltbelastungsproblem nicht lösen, ist aber ein guter Anfang“, betont Schäfer. Abschließende Interviews mit Experten aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft hätten die im Projekt erhobenen Ergebnisse bestätigt. Zur Elektrifizierung der KEP-Branche seien übereinstimmend die Intensivierung der Fördermöglichkeiten sowie die Bereitstellung und Vielfalt von Elektrofahrzeugen als entscheidende Punkte ausgemacht worden.

Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse haben die wissenschaftlichen Begleiter des Projekts nun Handlungsempfehlungen und strategische Schlussfolgerungen entwickelt, die zu einer erfolgreichen Umsetzung des Themas Elektromobilität in der KEP-Branche beitragen sollen. Wir bereiten die wichtigsten Schlussfolgerungen im Folgenden auf. Adressiert werden mit den Handlungsempfehlungen sowohl politische Vertreter als auch KEP-Dienstleister und Unternehmen sowie Fahrzeug-Hersteller.

Fünf Statements gehen direkt an die Politik: 1. Fördermöglichkeiten speziell für Elektro-Lieferfahrzeuge und Ladeinfrastruktur sind notwendig. Das begründen die Wissenschaftler mit den noch hohen Anschaffungspreisen für Elektrotransporter und Ladeinfrastruktur im Vergleich zu Kosten von Dieselfahrzeugen. Ohne Förderungen könne derzeit und in naher Zukunft kein wirtschaftlicher Einsatz von Elektrofahrzeugen realisiert werden, heißt es im Abschlussbericht.

2. Anreize und Regulierungen müssen miteinander kombiniert werden, dabei betont das Projektteam, dass dadurch keine Wettbewerbsnachteile einzelner Branchen oder Unternehmen im Wirtschaftsverkehr entstehen dürften. Außerdem sei für die Einführung von Restriktionen ein rechtlicher Rahmen zu schaffen. 3. Die Elektromobilität ist nur ein Baustein für eine nachhaltigere Innenstadtlogistik. Mit diesem Statement unterstreicht der Abschlussbericht, dass auch elektrische Zustellfahrzeuge Probleme wie Staus oder das Parken in zweiter Reihe nicht lösen können. Deshalb müssten ganzheitliche Konzepte mit alternativen Zustellkonzepten und dem Einsatz von Elektrofahrzeugen entwickelt werden.

4. Die KEP-Dienstleister machen nur einen geringen Anteil am Wirtschafts- und Gesamtverkehr in der Innenstadt aus. Wie oben erwähnt, fällt das Einsparpotenzial von Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Gesamtverkehr vergleichsweise gering aus, da die Emissionen der KEP-Branche nur ein Prozent des gesamten Verkehrsaufkommens betragen.

5. Der Aufbau einer öffentlichen Ladeinfrastruktur ist nicht notwendig, denn die Transporter werden bei fast allen KEP-Unternehmen nach den Touren auf dem Depotgelände abgestellt, sodass die Fahrzeuge über Nacht geladen werden können.

Kommen wir zu den Handlungsempfehlungen für KEP-Dienstleister und Unternehmen. Dieser Abschnitt macht mit Abstand den größten Teil des Abschlussberichts aus. Legen wir also los: 1. Vor der Implementierung von Elektrofahrzeugen ist eine Festlegung einer allgemeinen Zielsetzung hilfreich. Dies ist eine viel zitierte Basisvoraussetzung für eine erfolgreiche Flotten-Elektrifizierung. Die fehlende Organisation des Beschaffungsprozesses der Elektrotransporter könne zu Ausfällen und hohen Kosten führen, warnen die Wissenschaftler.

2. Es sollte für jedes Depot eine umfassende Überprüfung der Touren zum möglichen Einsatz von Elektrotransportern stattfinden. Auch dieser Punkt ist Teil der Ist-Analyse. Das Projekt ZUKUNFT.DE zeigte auf, dass häufig Innenstadttouren als geeignet identifiziert wurden, daher sollten zuerst Depotstandorte elektrifiziert werden, die einen geringen Gesamtdurchschnitt bei der Tourenlänge besitzen.

Wichtig ist zudem 3. die Identifikation möglicher Stellplätze für die Elektrotransporter und dem Aufbau von Ladepunkten in Kombination mit 4. der Überprüfung der Anschlusskapazität und der optimalen Planung der Ladeinfrastruktur. Eine falsche Positionierung der Ladeinfrastruktur führe zu Problemen im Beladeprozess, heißt es im Abschlussbericht. Wenn das Grundstück gemietet sei, empfehle es sich, den Vermieter mit in die Planung zu involvieren. Ebenfalls sollten kleinere Standorte, die von (Sub-)Unternehmern geführt werden, die Dauer des Mietvertrags prüfen bzw. gegebenenfalls anpassen.

Es folgt 5. die Entwicklung eines Verlegungsplans für die Ladeinfrastruktur sowie 6. die Wahl der Ladeleistung. Letztere sollte auf Grundlage der Tourenprofile und dem Fahrzeugmanagement entschieden werden. Als kostengünstigere Variante empfiehlt sich die Batterieladung über Nacht.

Zur Vermeidung von Problemen mit der Ladeinfrastruktur und leeren Batterien sollte 7. ein Überwachungsprozess eingeführt werden, über den sämtliche Fehler beim Anstecken des Ladesteckers detektiert und behoben werden. Eine derartige intelligente Ladeüberwachung sollte ebenfalls eine schonende und gleichmäßige Ladung aller Elektrotransporter steuern und Witterungsverhältnisse berücksichtigen, um maximale Stromaufnahmen und Batterieschäden bei niedrigen Temperaturen zu verhindern, heißt es im Bericht weiter.

Eine weitere Erkenntnis: 8. das Abschließen von Serviceverträgen mit Werkstätten in der Nähe ist notwendig. Ohne Wartungsverträge können den Wissenschaftlern zufolge lange Ausfallzeiten der Elektrotransporter die Folge sein und damit verbunden Kosten entstehen. Dagegen haben sie ausgewertet, dass 9. keine intensive Schulung der Fahrer zum Umgang der Elektrofahrzeuge notwendig ist. Die Begründung: Die Elektro-Serienfahrzeuge unterscheiden sich nur wenig von normalen Dieselfahrzeugen im Betrieb und eine Umstellung der Fahrer fällt daher leicht. Eine kurze Einführung sollte trotzdem durchgeführt werden.

Dass sich 10. Innenstadttouren besonders für die Einführung von Elektrotransporter eignen, ging bereits aus der Einführung hervor. Als wichtig erachtet das Projektteam darüber hinaus, dass 11. Sub-Unternehmer bei der Planung und Einführung mit eingebunden werden. Diese seien für eine erfolgreiche Umsetzung essenziell. Schließlich empfiehlt der Abschlussbericht 12. eine deutliche Kennzeichnung der Elektrofahrzeuge als solche, da dies der Öffentlichkeitsarbeit und dem Imagegewinn diene.

Einen wesentlich kleineren Katalog an Handlungsempfehlungen widmet der Abschlussbericht schließlich noch den Herstellern von Elektro-Fahrzeugen. Wenig überraschend steht an erster Stelle, dass 1. eine Erweiterung der Modellvarianz für mehr Einsatzmöglichkeiten sorgt. Und das Projektteam präzisiert direkt, worauf dabei besonders zu achten wäre: So sei für den Lieferverkehr 2. ein großes Ladevolumen bei der Fahrzeugauswahl entscheidend, gleichzeitig führe 3. eine höhere Reichweite zur Erweiterung der Einsatzgebiete im Bereich der Paketzustellung. Deshalb sollten gerade in diesem Sektor Reichweiten angegeben werden, die tatsächlich der Realität entsprechen, heißt es in dem Abschlussbericht.

Interessant auch: Für eine bessere Planbarkeit und Auslegung der Stellplätze plädiert das Projektteam für 4. eine einheitliche Positionierung des Ladekontakts am Fahrzeug. Andernfalls könnten Elektrofahrzeuge nicht an allen Beladetoren flexibel geparkt werden. Last but not least empfiehlt das Team 5. eine intensivere Kommunikation zwischen der KEP-Branche und den Herstellern, da es aufgrund der Diversität der Touren und damit verbundenen Nutzung der Transporter sinnvoll sei, Anpassungen an den Transportern zu besprechen.

Grundsätzlich hält der Abschlussbericht fest, dass bei Fahrern und Depotleitern sowie Kunden eine positive Haltung gegenüber der Elektromobilität bestehe, Hemmnisse wie die höheren Kosten für Elektrotransporter aber die schnelle Einführung behinderten. Die insgesamt 22 Handlungsempfehlungen und strategischen Schlussfolgerungen sollen vor diesem Hintergrund Entscheidungsträgern aus den Bereichen Politik, KEP-Branche und OEMs als Hilfestellung für eine nachhaltigere Innenstadtlogistik dienen.

„Dies kann nur gelingen, wenn die Elektromobilität als ein Baustein eines Gesamtkonzepts gesehen wird, vorangetrieben durch Anreize und Restriktionen. Hier besteht weiterer Forschungsbedarf wie die verschiedenen Lösungsansätze und Interessen wirksam zusammengebracht werden“, schreibt die Frankfurt UAS und denkt dabei etwa an Konzepte zur Kombination des ÖPNV und des Wirtschaftsverkehrs oder eine mögliche Bündelung auf der letzten Meile durch Sammeldepots. Auch bei diesen Konzepten seien elektrische Fahrzeuge ein wichtiger Bestandteil: „Die Neu- und Weiterentwicklung von Fahrzeugmodellen, sowie die Verbesserung der Batterietechnik, sind daher für einen Markthochlauf essenziell.“

Update 23.11.2021: Während das Projekt im Jahr 2018 mit dem Ziel gestartet war, mindestens 500 E-Transporter in der Zustellung auf der „letzten Meile“ einzusetzen, sind nach vier Jahren Projektlaufzeit alles in allem 1.000 Elektrofahrzeuge im gesamten Bundesgebiet in die Flotten der teilnehmenden Kurier-, Express- und Paketdienste integriert worden. Das gaben die Initiatoren nun im Rahmen der Abschlussveranstaltung bekannt. „Die Erwartung wurden um 100 Prozent übertroffen“, heißt es in einer begleitenden Mitteilung. Und: „Mit den Projektfahrzeugen wurden an rund 70 Standorten über die Projektlaufzeit mehr als 12 Millionen Kilometer zurückgelegt, 17,6 Millionen Sendungen zugestellt und mehr als 13.000 Tonnen CO2 eingespart.“
frankfurt-university.de, frankfurt-university.de (Abschlussbericht als PDF), hamburg.de (Update)

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