Plug & Charge: Wann wird das Laden endlich einfach?

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Die Technologie namens Plug & Charge, die Profis auch gerne mit der entsprechenden ISO-Norm 15118 bezeichnen, soll das Laden niederschwellig, simpel und zukunftsfest machen. Doch wann wird der Traum aller Elektroautofahrer endlich Realität? Christoph M. Schwarzer hat sich auf Spurensuche begeben und Experten befragt.

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Vorbild Tesla: Nirgends ist das Laden so einfach wie an den Superchargern. Die Standorte werden verlässlich und vollständig im Navigationssystem angezeigt und in die Routenplanung einbezogen. Ankommen, einstöpseln, fertig. Die Identifikation des Elektroautos erfolgt automatisch per Software. Die Kosten für die Kilowattstunden sind im Zentraldisplay ablesbar. Eine schöne und perfekte Ladelösung – nur leider proprietär, also den Besitzern der Teslas vorbehalten. Aber auch für den Rest der Elektroautowelt gibt es eine positive Perspektive: Mit Plug & Charge nach ISO 15118 könnte die nicht markengebundene Ladeinfrastruktur gleichziehen.

Die Ist-Situation der Ladeinfrastruktur abseits der Supercharger von Tesla ist erfreulich und ernüchternd zugleich. Viele Aspekte von der Verfügbarkeit bis zur eichrechtskonformen Abrechnung nach Kilowattstunde verbessern sich permanent. Was fehlt ist das, was Tesla auszeichnet: Simpelste Bedienung verbunden mit Verlässlichkeit ohne Abstriche. Es ist keine gewagte Prognose, dass die Summe der kleinen Schwächen in der aktuellen Ladeinfrastruktur spätestens dann zum öffentlichen Bohei führen wird, wenn im kommenden Jahr Tausende Volkswagen ID.3 auf die Straße rollen, deren Nutzer keine leidensbereiten Early Adopter, sondern ganz normale Menschen sind. Der ID.3 ist übrigens für Plug & Charge nach ISO 15118 vorbereitet. Diese Norm löst nicht alle, aber einige Probleme, und sie ist extrem bedeutsam für die Akzeptanz der Elektromobilität.

Hohe IT-Sicherheit durch ISO 15118

„Es ist wichtig zu verstehen, dass Plug & Charge nach ISO 15118 AC- und DC-seitig der sicherste und nutzerfreundlichste Weg ist, um ein niederschwelliges Ladeerlebnis zu schaffen“, erklärt Dr. Marc Mültin. Der Informatiker hat sich schon in seiner Promotion intensiv mit der ISO 15118 befasst. Als Gründer von V2G Clarity berät Mültin die komplette Branche vom Autohersteller über die Ladesäulenentwickler bis zum Betreiber von Ladepunkten. Und auf der Webseite von V2G Clarity stellt er etliche Informationen kostenfrei zur Verfügung. „ISO 15118 ist ein weltweiter Kommunikationsstandard, auf den sich alle beteiligten Marktakteure geeinigt haben“, fährt Marc Mültin fort. ISO 15118 ist an CCS (Combined Charging System) gebunden und könnte bereits zum Ende des Jahres an den Säulen von Ionity implementiert sein. Damit Plug & Charge tatsächlich funktioniert, müssen aber alle Partner darauf setzen.

In der Autoindustrie ist zurzeit lediglich der Smart EQ Plug & Charge-fähig. Es folgen – wahrscheinlich im ersten Quartal 2020 – der Audi e-tron quattro und anschließend der Porsche Taycan. Aus diversen Gesprächen von electrive.net mit Fachleuten gibt es allerdings auch Kritik an der Automobilbranche. Die Relevanz einer verbraucherfreundlichen Ladelösung werde bei den Herstellern nicht ausreichend erkannt, heißt es. Es werde viel zu wenig Personal eingesetzt. Außerdem, so monieren Kenner, scheuen einige Firmen Plug & Charge nach ISO 15118, weil das System zwar sicherer und ausbaufähiger, aber auch komplizierter und aufwändiger sei.

Protokoll für bidirektionales und induktives Laden

Das Ziel bleibt: Ankommen, einstöpseln, fertig. In der zweiten Stufe, die inhaltlich Ende 2020 feststehen soll und ab 2024 eingesetzt werden kann, sollen Zusatzfunktionen enthalten sein, die weit über den aktuellen Stand der ISO 15118 hinausgehen: Dazu gehören zum Beispiel das bidirektionale Laden (abgekürzt auch V2G für Vehicle to Grid), das induktive Laden oder das automatisierte konduktive Laden mit einem Roboter. Also das, was Fans der Elektromobilität seit Jahren für selbstverständlich halten.

Zurzeit laufen viele Realtests für die Implementierung und die Interoperabilität von Plug & Charge. Ein wichtiger Partner in diesem Zusammenhang ist Hubject. Die Firma mit 62 Mitarbeitern ist bekannt durch die Software Intercharge, die eine wichtige Basis für die Roaming-Fähigkeit von RFID-basierten Identifikationschips und Apps ist. Vereinfacht gesagt hat Hubject mit Intercharge neben dem Unternehmen SmartLab (Plattform e-clearing.net) dafür gesorgt, dass statt sehr vielen Ladekarten heute nur noch zwei oder drei notwendig sind, um durch Deutschland und weite Teile der Europäischen Union zu kommen.

„Gemeinsame Position im Markt“ erforderlich

Im Gespräch mit electrive.net beschreibt Christian Hahn, CEO von Hubject, nochmals die Relevanz von Plug & Charge nach ISO 15118: „Das Kundenerlebnis ist viel besser, weil es simpler ist. Außerdem ist die IT-Sicherheit ungleich höher als bei den relativ anfälligen RFID-Lösungen. Das ist für den erfolgreichen Hochlauf der Elektromobilität essentiell“, sagt Hahn. Und er erklärt weiter: „Viele HPC-Säulen und einige andere wie zum Beispiel die von Electrifiy America, Greenlots und Ebee sind ISO 15118-fähig. Und die meisten 50 kW-Standorte im Bestand sind mit geringem Aufwand nachrüstbar.“ Hier wird der Konflikt offensichtlich, der bereits von der Eichrechtskonformität bekannt ist: Je nachdem, wann eine Säule errichtet wurde, erfüllt sie bestimmte Standards – oder eben nicht. Das führt im Ergebnis zu einer Situation, in der einige Player glauben, mit dem Status Quo durchzukommen, während andere sich zukunftssicher aufstellen.

„Ich wünsche mir eine gemeinsame Position im Markt von allen Beteiligten“, antwortet Christian Hahn von Hubject auf die Frage, was denn für eine flächendeckende Umsetzung mit Plug & Charge nach ISO 15118 fehlen würde. Zusätzlich könne eine Incentivierung durch den Staat sinnvoll sein oder auch – so war es während der Recherche mehrfach zu hören – die Verpflichtung zur ISO 15118 durch Aufnahme in die Ladesäulenverordnung.

Es ist eben einfacher, wenn wie bei Tesla alles aus einer Hand kommt, als wenn viele unterschiedliche Player sich einigen müssen. Und es wäre bedauerlich, wenn der Endverbraucher sich weiterhin mit Alltagsschwierigkeiten beim Laden herumplagen müsste, weil in der Industrie keine Einigkeit erzielt werden kann. Ankommen, einstöpseln, fertig: Das erscheint aus heutiger Perspektive ein hoher Anspruch. Eigentlich aber ist diese Leichtigkeit das Mindeste.

14 Kommentare

zu „Plug & Charge: Wann wird das Laden endlich einfach?“
notting
29.09.2019 um 20:08
Ich habe in der Vergangenheit immer wieder die Erfahrung gemacht, dass (angebl.) besonders komfortable Lösungen besonders teuer sind. Wenn ich mir z. B. anschaue, dass Allego beim DC-Laden 0,59EUR/kWh will und man mit den richtigen Ladekarten nur grob die Hälfte bzw. ca. 2/3 davon bezahlen muss, kann man sich IMHO gut vorstellen, wo die Reise hingeht. Außerdem sind sie oft beim Faktor Datenschutz sehr schlecht. Das kommt hier insb. bei gemieteten Autos zum Tragen bzw. es erhöht den Aufwand für den Vermieter, der dann eben entspr. zusätzl. Bearbeitungsgebühren verlangen wird.IMHO wäre eine bessere Lösung gewesen, dass alle Ladesäulen girocard und KK akzeptieren, neben Ladekarten. Bzw. schon heute kommt man mit den div. Smartphone-App der Ladekarten-Anbieter sehr weit oder kann eben z. B. bei Intercharge direkt keine KK-Daten eingeben.notting
PEter
30.09.2019 um 09:14
In diesem Artikel fehlt leider die grundsätzliche Idee hinter der ISO 15118 und zwar die Integration des Fahrzeugs in das Smart Grid.Plug and Charge ist ein angenehmer Begleiteffekt.
Ralf
30.09.2019 um 09:59
Die Gerüchte mehren sich dass ISO 15118 in großen Ladeparks nicht sauber funktioniert. Signale sollen über die Erde zwischen den Ladestationen verschleppt werden. Vielleicht könnt ihr bei electrive dem Thema mal auf den Grund gehen.
Tim
30.09.2019 um 17:50
Es gibt in der ISO 15118 extra Vorkehrungen, dass eben dies nicht geschieht. Auch unsere Tests haben ergeben, dass das kein Problem darstellt. Die "Verschleppung" wurde von der Normseite bereits beachtet.
Andreas-Michael Reinhardt
30.09.2019 um 12:02
Die Vision von #ankommen, #einstöpseln, #fertig - #Plug & #Charge #BEV - manchmal muss man nachdrücklich auf die Sprünge helfen!Leider zeigen die Erfahrungen mit der #Elektromobilität in #Deutschland: Ohne #Verordnung (Zwang?) geht es bei gleichen Verhältnissen rund um's #Laden von #Elektrofahrzeugen (leider!) nicht. Ich begrüsse eine #Verpflichtung zur #ISO #15118 durch #Aufnahme in die #Ladesäulenverordnung.Das Verdict von Christoph M. #Schwarzer unterstreiche ich: "Es ist eben einfacher, wenn wie bei Tesla alles aus einer Hand kommt, als wenn viele unterschiedliche Player sich einigen müssen. Und es wäre bedauerlich, wenn der Endverbraucher sich weiterhin mit Alltagsschwierigkeiten beim Laden herumplagen müsste, weil in der Industrie keine Einigkeit erzielt werden kann. Ankommen, einstöpseln, fertig: Das erscheint aus heutiger Perspektive ein hoher Anspruch. Eigentlich aber ist diese Leichtigkeit das Mindeste".Es ist schon ein Unding, wie lange die Industrie zeitlich unterwegs war, sich überhaupt zu verständigen. Und, wie heterogen das auch in Europa abgelaufen ist. Und trotz des Einsatzes von Fördergeld - und -Projekten, was dabei lange Zeit herauskam. Der alte Spruch fällt mir ein: "Der Berg kreisste und gebar eine Maus...."
Andreas
30.09.2019 um 13:59
Es ist einfach nachvollziehbar, wieso Automobilfirmen kein Interesse an einfachen, aber für sie teuren Lösungen haben: Die größte Absicherung stabiler Verbrennerverkäufe ist neben dem künstlich hohen Preis und die geringe Verfügbarkeit die kompliziertere Ladestruktur.@notting: Der Strompreis an den Teslasäulen ist geringer. Wo ist das Argument?
else
01.10.2019 um 15:57
Es hat alles seine Vorteile, aber auch Nachteile. Bei Tesla bist Du an Tesla gebunden und deren Preisen, die können höher oder niedriger fallen. Bei CCS-Autos momentan kann man noch, dank Roaming, schauen wer den Strom am günstigsten verkauft, und entsprechende RFID-Karte/App nutzen. Mit Plug&Charge wird es so sein wie bei Tesla, du meldest dein Auto bei irgend ein System, und dann hast Du immer den Preis von genau diesen Anbieter, egal ob es doppelt so der teuerste oder der günstigste bei der Ladesäule ist.Wenn das nur beim SmartEQ funktioniert, was kann eigentlich der EQC von Mercedes? Und was ist der unterschied zwischen Plug&Charge laut ISO 15118 und Plug&Charge bei Fastned?
Andreas Haffner
02.10.2019 um 21:26
Vielleicht verstehe ich hier nur etwas falsch... Wenn Teslas Supercharger zu teuer ist, kan jeder Tesla auch an allen anderen öffentlichen CCS-Ladern geladen werden. Kein Teslafahrer ist "an Tesla gebunden und deren Preisen".
else
08.10.2019 um 14:06
Ich meinte das Supercharger-Netzwerk. Da kannst Du nicht mit einer Maingau- oder Telekom RFID Karte den Strom für weniger Geld laden.
Dr. Dr. Goldzähler
16.10.2019 um 09:19
Andreas Scheuer (CSU) hat ganz andere Probleme, also können wir da lange warten :-(
Sven S.
19.10.2019 um 09:46
Ich fahre Tesla. Und das ist wirklich genau der Punkt, mit dem einfachen laden. Es muß so sicher und einfach sein wie bei Tesla! Dann sehe ich auch keine Probleme. Aber wenn ich woanders als am Supercharger lade, stelle ich immer wieder fest, es ist umständlicher, teurer und unsicherer, ob ich da auch wirklich laden kann. Was soll das denn? Machen wir doch nichts vor, laden eines E-Autos ist doch im Vergleich zu jeder anderen Infrastruktur, auch einer Wasserstoffinfrastruktur, ein Witz! Es ist ein bißchen Kabel, Software und eine Steckdose. Billig und einfach aufgebaut. Das muß man sich einfach immer wieder vor Augen halten. Ich weiß, dass man Strom erzeugen muss, aber das geht auf so vielfältige Art und weise umweltfreundlich und viele (hoffentlich immer mehr) können das sogar selbst tun.
Thomas
24.10.2019 um 10:04
@else - der Unterschied zwischen Plug & Charge nach 15118 und "Plug & Charge bzw. Autocharge" bei Fastned ist das ISO hier ein ganz anderes Level von Sicherheit über die PKI Prinzipien dahinter bietet. Autocharge sichert nur die mac Adresse des Fahrzeugs und nutzt diese für die Authentifizierung an den Ladesäulen im Fastned Netzwerk.Genauer dargestellt ist das hier in dem Whitepaper:https://www.hubject.com/wp-content/uploads/2019/06/1906012_Whitepaper-Autocharge-PlugCharge.pdf
Frank Hofmann
02.03.2020 um 07:43
Gelebter Datenschutz und Kostentransparenz wäre die Möglichkeit, an einer Ladesäule Cash zahlen zu können!
Michael
25.03.2020 um 12:00
Cash zahlen? Ohjee, zurück in die Steinzeit? Und wer fährt dann von Ladesäule zu Ladesäule um das Geld einzusammeln? Vandalismussicher ist das auch nicht... Sehe schon, wie die Aufschreihe kommen, dass jemand den Geldeinwurf verdattelt hat. Oder kein Wechselgeld vorhanden ist. Cash ist nett gemeint, aber ist echt ein Relikt aus der Vergangenheit. State of the Art: Contactless payment oder eben dann automatisch über die Plug&Charge Iso.

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