IAA Transportation: Die wichtigsten E-Lkw-Premieren im Überblick

Die IAA Transportation in diesem Jahr hat einmal mehr verdeutlicht, dass für die Nutzfahrzeuge eine neue Ära angebrochen ist. Ob rein Batterie-elektrisch oder mit Brennstoffzellentechnologie: Trotz geopolitisch und konjunkturell ausgelösten Herausforderungen haben etliche Unternehmen eine Reihe an neuen Produkten präsentiert, die auch die Zeitenwende im Zeichen des Klimaschutzes weiter voranbringen sollen.

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Den Aufbruch in eine neue Zeit sollte nach einer Corona-bedingten Pause im Jahr 2020 wohl auch der neue Name (zuvor: IAA Nutzfahrzeuge) und ein neues Konzept mit Fokus auf die „gesamte Bandbreite des Transports und der Logistik“ vermitteln. Als Ausrichter der Messe lud der Verband der Automobilindustrie (VDA) Branchenvertreter und Interessierte nach Hannover. Gekommen waren 1.402 Aussteller aus 42 Ländern.

„Nutzfahrzeuge sind aus unserem Alltag und für eine leistungsstarke Wirtschaft nicht wegzudenken. Die IAA Transportation zeigt die innovativen und nachhaltigen Lösungen der Branche, die bereits jetzt einen enormen Beitrag zum Klimaschutz leistet und gibt interessante Ausblicke in die Zukunft von Transport und Logistik“, fasste VDA-Präsidentin Hildegard Müller bei der Eröffnung zusammen.

Und damit sollte sie recht behalten. In den Messehallen in Hannover hat sich das Bild der Logistik tatsächlich gewandelt. „100 Prozent elektrisch“, „charge & ready“, „all electric“ und viele weitere Aufschriften dieser Art prangten auf den ausgestellten Transportern, Trucks und auch Bussen. Und die stehen nicht mehr, wie früher mal, als Prototypen am Rand der Stände, sondern serienreif im Zentrum. Auch bei den Aufbauten setzen sich elektrische Lösungen durch – vom Nebenabtrieb bis zum Kühlaggregat. Und zwischendrin mischen sich wie selbstverständlich chinesische Batteriehersteller oder amerikanische Brennstoffzellen-Produzenten mit großen Ständen zwischen die etablierten Zulieferer.

Große Hersteller mit Fokus auf die Batterie

Eines der Highlights der großen Hersteller war der Mercedes-Benz eActros LoungHaul, der für den Fernverkehr konzipiert ist. Daimler Truck hatte das angekündigte Fahrzeug als Konzept-Prototyp mitgebracht und weitere technische Details rund um den Batterie-elektrischen Lkw enthüllt. Der 40-Tonner verfügt über eine 600-kWh-Batteriekapazität und soll eine Reichweite von etwa 500 Kilometer mit einer vollen Ladung erreichen. Der eActros LongHaul soll bekanntlich im Jahr 2024 serienreif sein und in Wörth am Rhein vom Band laufen. Eine zwar ebenfalls bereits bekannte Neuerung im Vergleich zu derzeitigen Modellen wie dem eActros 300 bzw. 400, die dadurch jedoch nicht weniger spannend ist: Der Schwer-Lkw wird den künftigen Lkw-Ladestandard MCS (Megawatt Charging System) unterstützen.

Daimler Truck nutzte die Messe zudem, um die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten des eActros für den schweren Verteilerverkehr zu zeigen: So soll das Modell künftig auch als Sattelzugmaschine verfügbar sein. Darüber hinaus hat das Unternehmen die von ZF entwickelte All-in-One-Lösung eWorX zusammen mit einem Abrollkipper von Meiller und einem Absetzkipper von Palfinger in einem eActros aufgebaut. Eine weitere Aufbauvariante für den eActros ist ein Kühlkoffer von Kiesling. Europapremiere feierte auf der Messe zudem die kürzlich vorgestellte neue Generation des vollelektrischen Leicht-Lkw Fuso eCanter.

Auch bei Scania standen nachhaltige Transportlösungen im Mittelpunkt. Insgesamt 14 Fahrzeuge brachte das zur VW-Nutzfahrzeugtochter Traton gehörende Unternehmen zur Messe in Hannover – davon vier Batterie-elektrische: das kürzlich vorgestellte BEV-Modell für den regionalen Güterverkehr, einen BEV-Bus und zwei BEV-Lkw für den städtischen Einsatz.

Der Schwerpunkt des Messestandes diente vor allem der Präsentation des Angebots an digitalen Dienstleistungen und Ladelösungen. IAA-Premiere feierte dabei das My-Scania-Kundenportal und die App Scania Driver. Beide sollen den Weg für eine höhere Effizienz und Rentabilität auf Kundenseite ebnen. „In unserer Branche hängt der Erfolg oder Misserfolg mittlerweile eng damit zusammen, welche Art von datengesteuerten Diensten wir und unsere vertrauenswürdigen Partner anbieten“, sagte Stefano Fedel, Executive Vice President und Head of Sales & Marketing bei Scania, im Vorfeld der Messe. „Durch die Nutzung von Daten kann alles – von der Finanzierung und Versicherung bis hin zum präventiven Austausch und Fahrerservice – auf die individuellen Anforderungen jedes Kunden zugeschnitten werden.

Der ebenfalls zu Traton gehörende Hersteller MAN hatte seinen Konkurrenten zum eActros LongHaul mit nach Hannover gebracht – wie Daimler Truck aber nur als seriennahen Prototypen. Der MAN eTruck ist für den schweren Fernverkehr konzipiert und soll 2024 bei den ersten Kunden zum Einsatz kommen. Die Tagesreichweite gibt der Hersteller mit 600 bis 800 Kilometer an, zu einem späteren Zeitpunkt sollen sogar 1.000 Kilometer erreicht werden können. Das klingt nach mehr als die 500 Kilometer des Mercedes-Trucks, ist aber nur ein Trick: Bei der „Tagesreichweite“ rechnet MAN Ladestopps – ebenfalls per MCS – mit ein. Bei Daimler Truck gibt man hingegen die Reichweite mit einer Batterieladung an.

Wie auch Scania stand bei MAN zudem das digitale Ökosystem rund um den (Elektro-)Truck im Mittelpunkt des Messestandes. Vorgestellt wurden digitale Tools wie der eReadyCheck zur Überprüfung von Lieferrouten, der Fuhrparkmanager eManager und das Bezahlsystem SimplePay – und das Angebot MAN eMobility Consulting als umfangreicher Analyse- und Beratungsservice des Unternehmens.

Der niederländische Lkw-Hersteller DAF Trucks zeigte in Hannover rein elektrische Versionen seiner Lkw-Baureihen DAF XD und XF. Die ab sofort bestellbaren XD Electric und XF Electric sollen ab 2023 auf einer neuen Produktionslinie in Eindhoven montiert werden. Beide Modelle verfügen über modulare Antriebsstränge mit E-Motoren von Paccar, die zwischen 170 bis 350 kW leisten, und einer Reihe von Batteriepacks für Reichweiten von 200 bis über 500 Kilometern, die mit bis zu 325 kW geladen werden können.

Die für Transporter bekannte SAIC-Marke Maxus präsentierte auf der IAA Transportation erstmals einen vollelektrischen Lkw. Mit dem 7,5-Tonner Maxus Electric Light Truck ist 5,85 Meter lang, 2,15 Meter breit und 2,27 Meter hoch. Mit Aufbau vergrößert sich die Länge auf 6,40 Meter. Das Fahrzeug ist mit einer 128 kWh großen LFP-Batterie ausgestattet, die bei voller Beladung eine kombinierte WLTP-Reichweite von mehr als 210 Kilometern und bis zu 412 Kilometer im Stadtverkehr ermöglichen soll.

Eine neue vollelektrische Hinterachse stellte derweil Volvo Trucks auf der IAA Transportation vor. Diese soll mehr Platz für Batterien schaffen und so eine größere Reichweite ermöglichen. Das Unternehmen hat vor Kurzem mit der Serienproduktion seiner schweren Elektro-Lkw begonnen – daher gab es an dieser Front auf der Messe wenig Neues. Volvo ist hier schon weiter als andere Hersteller: Insgesamt umfasst das Batterie-elektrische Lkw-Portfolio der Schweden bereits sechs verschiedene Modelle, die in Serie produziert werden. „In einigen Jahren“ soll die Serienproduktion von Lkw mit der neuen E-Achse beginnen.

Bei den Elektro-Bussen mit Batterie-elektrischem Antrieb sorge BYD für die wohl wichtigste Messe-Premiere: Der chinesische Hersteller hatte sein neues E-Bus-Chassis mit nach Hannover gebracht. Bei dem 12-Meter-Bus integriert BYD nicht nur seine aus Elektro-Pkw bekannten Blade-Batterien mit LFP-Chemie, sondern verfrachtet die Batterien auch in den Unterboden des Busses anstatt sie (wie bisher) auf dem Dach zu platzieren.

Brennstoffzelle – vor allem bei Startups?

Die oben genannten Beispiele von der IAA Transportation 2022 zeigen, der Trend geht in Richtung BEV. Aber auch die Brennstoffzelle spielt erwartungsgemäß weiterhin eine wichtige Rolle, auch wenn der Eindruck entstehen könnte, dass eher kleinere Anbieter versuchen, damit eine Nische zu besetzten.

So nutzte Daimler Truck die IAA Transportation, um ausgewählten Besuchern eine Mitfahrt in seinem Brennstoffzellen-Lkw GenH2 Truck zu ermöglichen und demonstrierte dessen Betankung an einer Shell-Station in Laatzen in der Nähe des Messegeländes.

Der britische E-Lkw-Hersteller Tevva zeigte erstmals seinen 19-Tonner. Wie das kürzlich in die Produktion gestartete 7,5-Tonnen-Modell nutzt auch die 19-Tonnen-Variante das duale Energiesystem des Herstellers, das Batterien und einen Brennstoffzellen-Range-Extender zum Laden des Akkus während der Fahrt kombiniert. Der Lkw soll dadurch eine Reichweite von bis zu 400 Kilometern haben. Seine Wasserstoff-Tanks können laut Tevva innerhalb von zehn Minuten wieder aufgefüllt werden.

Quantron beeindruckte mit einer anderen Zahl: 1.500. Das ist die Reichweite, die der zusammen mit Ballard Power Systems entwickelte QHM FCEV Heavy Truck in seiner größten Ausbaustufe mal ermöglichen soll. Die in Hannover enthüllte Sattelzugmaschine für den schweren Fernverkehr verfügt über zwei von Ballard neu entwickelte Brennstoffzellen FCmove-XD mit jeweils 120 kW und die integrierte E-Achse eGen Power 130D von Allison Transmission.

Die zur Faun-Gruppe gehörende Marke Enginius hat mit dem 16-Tonner Citypower ihr zweites Produkt nach dem Bluepower vorgestellt. Der Citypower ist ein Wasserstoff-Lkw für den innerstädtischen Waren- und Lieferverkehr auf Basis des zweiachsigen Atego von Daimler Truck mit neun Tonnen Nutzlast, 500 Kilometern WLTP-Reichweite und 30 Minuten Tankzeit. Ende 2023 sollen die ersten Fahrzeuge in den Feldtest gehen, der Serienstart ist für 2024 geplant.

Der türkische Busbauer Karsan stellte unterdessen sein erstes Wasserstoff-Modell vor. Der e-ATA Hydrogen ist ein 12-Meter-Bus für bis zu 95 Passagiere (40 Sitzplätze) und einer Reichweite von über 500 Kilometern. Wann der e-ATA Hydrogen ausgeliefert werden soll, ist aber noch nicht bekannt.

Dass es in Hannover deutlich weniger neue E-Busse als E-Lkw zu sehen gab, lag nicht an der Messe selbst oder mangelnder Elektrifizierung im ÖPNV auf der Straße. Es fand schlichtweg parallel die Innotrans in Berlin statt, wo der eine oder andere neue Bus mit Elektroantrieb – etwa ein Brennstoffzellenmodell von der Skoda Group – präsentiert wurde.

Fazit

Die IAA Transportation hat ein Feuerwerk der Elektromobilität gezeigt. Allerdings blieben auch einige Fragen offen: Wie schnell wird die Infrastruktur für Batterie-elektrische Trucks im Megawatt-Bereich entstehen? Und kommt parallel tatsächlich ein Netz aus Wasserstoff-Tankstellen? Das Wettrennen beider Technologien ist noch nicht entschieden. Spricht man mit Spediteuren, so ist ihnen das Ergebnis recht egal. Sie wollen Planungssicherheit und sie wollen CO2 einsparen – auch weil das die Kunden erwarten. Fragt man die Hersteller, klingt hinter vorgehaltener Hand eine weitere Motivation zur schnellen Elektrifizierung durch. Die Branche will sich die teure Entwicklung von Verbrennungsmotoren für die kommende Euro-7-Norm am liebsten sparen. Und wünscht sich deshalb eine Richtungsentscheidung für Batterien und/oder Brennstoffzellen. Denn jeder Euro in der Entwicklung kann nur einmal ausgegeben werden. Insofern bleibt abzuwarten, ob und wann das IAA-Elektro-Feuerwerk tatsächlich auf der Straße ankommt. Wünschenswert wäre es in jedem Fall.

Redaktionelle Mitarbeit: Sebastian Schaal & Peter Schwierz

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