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Unser Blick voraus: Diese Elektroautos kommen 2024

Durchatmen. Konsolidieren. Weitermachen. 2024 wird ein Zwischenjahr vorm nächsten CO2-Reduktionsziel. Und die interessantesten Neuheiten sind aus Europa. Welche neuen Elektroautos im kommenden Jahr wichtig sind, steht hier!

Der Renault Twingo, so sagte es Luca de Meo im November, ist „unsere Antwort auf die Dekarbonisierung, die Luftreinhaltung, die Bezahlbarkeit, die Re-Industrialisierung Europas und die Schaffung einer europäischen Wertschöpfungskette“. Große Worte.

Der selbstbewusste Vorstandsvorsitzende der Renault Group, der zugleich Präsident des Verbands der europäischen Autohersteller ACEA ist, hat deutlich bessere Laune als sein Kollege Oliver Blume bei Volkswagen. Zwar kommt der Twingo erst 2026. Aber auch für 2024 stellen mit der Renault Group und Stellantis ausgerechnet zwei europäische Konzerne besonders viele Neuheiten im massenrelevanten B- und C-Segment vor. Nicht Volkswagen. Und nicht BYD.

Wir bei electrive sehen 2024 aber auch aus der politischen Perspektive: Es ist das letzte Jahr, in dem das CO2-Reduktionsziel von durchschnittlich 95 Gramm pro Kilometer eingehalten werden muss. 2025 muss ein Minus von 15 Prozent gegenüber diesem Wert realisiert werden. 2030 beträgt das vorgeschriebene Minus mindestens 55 Prozent. Das ist nur über einen wachsenden Anteil von Elektroautos möglich – und den wiederum muss die Industrie durch attraktive Modelle vorbereiten.

Attraktiv bedeutet für viele Menschen: Bezahlbar. Was aber ist das eigentlich? Gemeint ist jedenfalls nicht die sarkastische Umdeutung des Begriffs durch den Sängers Rainald Grebe, der über den Stadtteil Prenzlauer Berg in Berlin meinte, „die Mieten hier sind bezahlbar, denn ich kann sie ja bezahlen“. Vielmehr geht es darum, den europäischen Kundinnen und Kunden ein Angebot zu machen, dass Kaufkraft und Mobilitätsbedürfnis in einen vernünftigen Ausgleich bringt. Also jenen Europäern, die bisher einen Dacia Sandero, einen Toyota Yaris Cross oder einen Volkswagen T-Roc gewählt haben.

Das Kleinwagen-Angebot wächst

Wir sind überzeugt, dass 2024 trotz der Konsolidierungsphase ein gutes Jahr fürs Elektroauto wird. Und das sind die Gründe:

Renault beginnt mit dem Verkauf des R5. Der Kleinwagen löst faktisch die Zoe ab. Der R5 bekommt eine Mehrlenkerhinterachse mit entsprechend dynamischem Fahrgefühl. Basispreis: Rund 25.000 Euro. Beim Design orientiert sich der R5 am historischen R5 – ähnlich wie der R4, der quasi das SUV auf der gleichen Basis wird. Der R4 ist angesichts der fortwährenden SUV-Nachfrage das wichtigere Elektroauto. Er feiert lediglich Premiere und rollt 2025 auf die Straßen. Anders ist es beim Scenic, der vom Van zum SUV mutiert ist und in Kürze mit 60 oder 87 Kilowattstunden (kWh) fassender Traktionsbatterie ausgeliefert wird.

Bei Stellantis ist die bekannteste Neuheit der Citroen e-C3. Mit einem Basispreis von 23.300 Euro (alle Preise exklusive Förderung) definiert er den Maßstab für Bezahlbarkeit. Die Reichweite nach WLTP beträgt 320 km, und die LFP-Batterie fasst 44 kWh. Es folgen nicht weniger als sechs Derivate aus dem Konzern mit Sitz in den Niederlanden. Zum Jahresende etwa wird die Langversion des e-C3 namens Aircross mit bis zu sieben Sitzen vorgestellt.

Mindestens ebenso bedeutend für Stellantis sind die Elektroautos mit der Plattform SLTA Medium. Der Peugeot e-3008 macht mit 73 oder 98 kWh (525 bis 700 km Reichweite) den Anfang. Opel könnte den Grandland mit der STLA Medium zeigen. Zwar ist Opel auch mit dem Rollout der überarbeiteten e-CMP zum Beispiel im Astra beschäftigt. Trotzdem wird es Raum für den Grandland und natürlich auch für einen Kleinwagen unterhalb des Corsa geben.

Die anderen Konzernmarken wie Fiat mit dem 600e oder Jeep mit dem Avenger setzen ihren Weg fort, und das Revival von Lancia beginnt mit dem Kleinwagen Ypsilon.

Der Elektro-Bestseller wird 2024 überarbeitet

Ein Opel aus Rüsselsheim und ein Ford aus Köln wurden gerne als deutsche Autos wahrgenommen. Und das, obwohl Opel 1929 von General Motors gekauft wurde und Ford der Inbegriff des US-amerikanischen Autos an sich war. Wie sind das Gefühl und die Identifikation bei einem Tesla Model Y aus Grünheide in Brandenburg, ähnlich oder anders?

Wir kennen die abschließende Bilanz noch nicht, aber das Model Y könnte 2023 zu einem der weltweit meistverkauften Pkw überhaupt werden. Die Strategie von Tesla, stärker auf Kostenoptimierung statt auf Sprunginnovation zu setzen, zahlt sich aus. Trotzdem ist es Zeit für eine Überarbeitung wie beim Model 3 Highland: Im Jahresverlauf erscheint das Model Y Juniper. Und ja, wir werden uns die Blinkerschalter im Lenkrad genau ansehen.

250 Kilometer von Grünheide entfernt liegt Wolfsburg. Bei Volkswagen ist Krise. Die Elektroautos verkaufen sich nicht wie erwartet, obwohl deren Eigenschaften besser werden: So bekommen einige Modelle den effizienteren Antrieb APP550. Der ID.7 und dessen Kombiversion Tourer (nicht Variant) zum Beispiel. Auf den ID.2 müssen die Kunden aber noch bis 2026 warten. Eine Umstellung des MEB auf 800 statt 400 Volt Spannungsebene ist ebenfalls nicht absehbar. Siehe Cupra Tavascan.

Stichwort 800 Volt: Die Premium Plattform Electric (PPE) verzögert sich nochmals. Trotzdem ist mit der Vorstellung des Porsche Macan sowie des Audi Q6 e-tron zu rechnen. Wann die Elektroautos tatsächlich fertig sind und zu den Interessenten kommen, ist unklar. In diesem Segment sind 800 Volt demnächst der Standard, von dem auch der Audi A6 e-tron als Limousine sowie als Avant profitieren werden.

Bei Mercedes hat man sich mit der Concept CLA Class eindeutig zum 800 Volt-System bekannt. Der schicken Studie wird 2024 die Serienversion folgen. Geliefert wird leider erst 2025. Unterdessen hält sich das Gerücht, dass EQE und EQS zur Hälfte des Lebenszyklus von 400 auf 800 Volt umgestellt werden. Bestätigt ist das nicht. Sicher dagegen ist der EQG, also das elektrische G-Modell, sowie die – Achtung – „g-Klasse“ als geschrumpftes Pendant.

In München freut sich BMW unterdessen auf die Neue Klasse, die Rundzellen mit 46 Millimeter Durchmesser in ein 800 Volt-Batteriesystem integriert. Den Anfang macht die Premiere vom Nachfolger des iX3 mit dem Kürzel NA05. Die Limousine i3 (NA0) kommt danach, und in beiden Fällen sind die Elektroautos frühestens 2025 auf der Straße. Für die Jetztzeit ist der i5 wichtiger. Und natürlich der i5 Touring. Nicht vergessen werden darf auch der iX2. Für BMW geht die Taktik auf, in der Öffentlichkeit nicht einzig das Elektroauto zu propagieren, zugleich aber ein sehr gutes Angebot zu machen.

Weitere China-Stromer kommen – aber wie viele?

Mutmaßlich weiterhin in der Erfolgsspur bleibt die Hyundai Motor Group: Der Ioniq 7 wird eine hauseigene Alternative zum Kia EV9. Der Ioniq 5 erhält ein Facelift. Vielleicht wird am anderen Ende der Größenskala der Kleinstwagen Casper EV gezeigt. Die Konzernmarke Kia präsentiert das SUV EV5, während die Limousine EV4 sowie der EV3 als Ablösung für den Soul noch etwas auf sich warten lassen.

Und China? Das bisher erfolgreichste Elektroauto in Europa ist mit Abstand der MG4 aus dem Hause SAIC. Der MG4 bekommt mit dem Trophy Extended Range (77 kWh) sowie dem XPower (Allradantrieb) mehr Varianten. Weniger für die Masse, aber was fürs Auge bietet der MG Cyberster. Wo bleiben die Roadster von Tesla und Mazda?

Große chinesische Konzerne haben es leichter sich zu etablieren als gehypte Startups. Das zeigt auch Geely, wo Volvo nach dem Rollout des EX30 mit dem SUV EX90 punkten will. Ob der Van EM90 zu uns kommt, ist offen. Die Marke Polestar strebt weiter ins Premiumsegment: Der Polestar 3 ist in der Launch Edition ab 88.600 Euro zu haben. Beim viertürigen Coupé Polestar 4 verzichtet der Hersteller auf die Heckscheibe und folglich auf einen Teil der Kunden.

Geely wird erstmals auch versuchen, mit der Marke Zeekr in Deutschland Fuß zu fassen. Am bekanntesten ist der X, der die technische Basis mit dem Volvo EX30 und dem Smart #1 teilt, dessen Flachdachinterpretation #3 gleichfalls neu ist. Nach dem Zeekr X folgt der große 001, und im Heimatmarkt wurde jüngst die Limousine 007 vorgestellt.

Weiterhin wenig E-News aus Japan

Gesichert ist auch die Ankunft der Marke Voyah von Dongfeng. Los geht’s mit dem SUV Free. Dongfeng war einstmals auf Nutzfahrzeuge spezialisiert, baut aber zunehmen Pkw. Diesen Weg ist BYD schon gegangen. Der Seal und der Dolphin werden endlich ausgeliefert, und ähnlich wie bei Tesla kommt nach der Limousine Seal das dazugehörige SUV Seal-U.

Die Armada der Neuerscheinungen von Elektroautos in China macht einmal mehr die Spreizung aus Ankündigung und Wirklichkeit deutlich. Wenn BYD neue Submarken wie Fang Cheng Bao oder Yangwang einführt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass irgendwann ein Produkt nach Deutschland kommt. Aber nicht jede beliebig gestylte Limousine aus China mit viel Netzpräsenz wird automatisch ein käufliches Serienprodukt.

Eigentlich würden wir zum Abschluss gerne ausführlich über neue Elektroautos aus Japan berichten. Die Verbindlichkeit von dort ist aber gering. Immerhin: Toyota wird im ersten Halbjahr die Serienversion des Urban SUV Concept präsentieren. Das Elektroauto im B-Segment ist 4,30 Meter lang, also ein Konkurrent zum Hyundai Kona EV. Keine neuen Zusagen gibt es zurzeit von Honda und Mazda. Auch die Japaner werden kommen. Aber als Nachzügler, also spät und im schlechtesten Szenario zu spät.

1 Kommentar

zu „Unser Blick voraus: Diese Elektroautos kommen 2024“
Wolfbrecht Gösebert
31.12.2023 um 14:40
Merkwürdig, die »Hyundai Motor Group« aus Südkorea unter die Zeile: "Weitere China-Stromer kommen ..." zu subsumieren!

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