VW schließt Planungsrunde ab – Diess bleibt

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Volkswagen hat im Rahmen seiner neuen Planungsrunde die weitere Elektrifizierung seiner europäischen Standorte beschlossen. 89 Milliarden Euro werden in den nächsten fünf Jahren allein in Zukunftstechnologien wie Elektromobilität und Digitalisierung investiert.

Damit würde erstmals mehr als die Hälfte der Gesamtinvestitionen auf die Zukunftstechnologien entfallen, wie der Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Dieter Pötsch gleich zu Beginn der Pressekonferenz angibt. Genau sind es 56 Prozent statt 50 Prozent in der vorigen Planungsrunde. „Die finanzielle Ausgangsbasis ist ausgesprochen solide und robust“, so Pötsch. „Zu den zentralen Punkten, die wir beschlossen haben, gehört die vollständige Elektrifizierung der europäischen Standorte.“

Zu den Stadtorten gleich mehr – bei der Aufsichtsratssitzung wurde zudem ein umfassender Umbau des Konzernvorstands beschlossen. Laut Pötsch sei das eine „personelle und strukturelle Verstärkung“, „um für die nächste Phase der Transformation gerüstet zu sein“. Die personellen Beschlüsse sind so ausgefallen wie vorab durchgesickert: Herbert Diess bleibt Vorstandsvorsitzender, gibt aber Verantwortungen ab.

VW-Markenchef Ralf Brandstätter wird in den Konzernvorstand einziehen und ab August 2022 die Verantwortung für das China-Geschäft übernehmen. Sein Nachfolger als Vorstandsvorsitzender der Kernmarke wird Skoda-Chef Thomas Schäfer. Wer dessen Nachfolger in Mlada Boleslav wird, ist noch nicht bekannt.

Pötsch: Diess ist „Motor des Wandels“

Zudem wird Manfred Döss das Ressort Integrität und Recht von Hiltrud Werner übernehmen. Die frühere Deutsche-Börse-Vorständin Hauke Stars übernimmt das neu geschaffene IT-Ressort, Audis Vorständin für Marketing und Vertrieb, Hildegard Wortmann, übernimmt künftig auch auf Konzernebene den Vertrieb. Der bis April 2023 laufende Vertrag mit Gunnar Kilian, der für das Personal sowie Truck & Bus zuständig ist, wird um mehrere Jahre verlängert.

Wie Pötsch angibt, werde sich Diess mit „nochmals mehr Augenmerk“ um die Software-Tochter Cariad kümmern, um künftige Profit Pools zu erschließen. Diess behält zudem mindestens bis kommenden Sommer die Verantwortung für die Volumengruppe im Konzern, dazu kommen die Strategie, aber auch Validität, Design und Kommunikation. Pötsch bezeichnete Diess als „Motor des Wandels“.

Diess selbst gibt bei der Pressekonferenz an, sich durch die Neubesetzungen im Vorstand gestärkt zu fühlen. „Ich kann mich nicht über mangelnde Verantwortung beklagen“, so Diess. „Jetzt verstärken wir den Vorstand weiter und werden uns konsequent auf die Transformation fokussieren.“

ID.3 wird künftig auch in Wolfsburg gebaut

Zu dem Streit, vor allem um den Standort Wolfsburg, sagte Diess: „Ich hatte lange Zeit Sorge, dass wir den Wandel nicht konsequent genug angehen. Jetzt haben wir ein umfassendes Paket beschlossen, wir werden Wolfsburg in zehn Jahren nicht wiedererkennen“, so der Vorstandschef. „Ich bin jetzt sehr viel zuversichtlicher, dass wir die Transformation und den Wettbewerb schaffen. Und dass wir den neuen Wettbewerb sehen, dafür haben wir gesorgt.“

Das Paket für Wolfsburg sieht nicht nur die Produktion des E-Flaggschiffs Trinity vor, das ab 2026 wie berichtet und vermutet in einem neuen Werk gebaut werden soll, das außerhalb des heutigen Werksgeländes liegt. „Frau Cavallo hat sich persönlich dafür eingesetzt, schon vorher ein Elektrofahrzeug in Wolfsburg zu fertigen“, sagt Diess mit Blick auf die Betriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo, die neben ihm steht. Und Cavallo hat sich durchgesetzt: Ab 2023 wird eine Teilfertigung des ID.3 anlaufen (mit Belieferung aus Zwickau), 2024 dann die Voll-Fertigung. Damit wird auch der ID.3 neben Zwickau in einem zweiten Werk gefertigt. „Mit diesem Plan will das Unternehmen zusätzliches Marktvolumen bedienen, das Zwickau alleine angesichts langfristig guter Auslastungsprognosen nicht erfüllen könnte“, heißt es in der Mitteilung.

Insgesamt wird Volkswagen in den niedersächsischen Werken im Rahmen der Planungsrunde von 2022 bis 2026 21 Milliarden Euro investieren – davon entfällt alleine eine Milliarde Euro auf das Trinity-Werk. Zwei Milliarden werden in die Batterie-Fabrik in Salzgitter investiert. Auch die MEB-Komponenten-Fertigung in Salzgitter und Braunschweig sowie im hessischen Kassel wird ausgebaut. Zudem bereiten sich die Standorte auf die Fertigung von Komponenten für die SSP-Plattform vor.

A propos Salzgitter: Der Aufsichtsrat hat für das Batteriegeschäft die Gründung einer neuen SE genehmigt. Darin sollen die „batteriebezogenen Aktivitäten“ des Konzerns gebündelt werden. An dieser Gesellschaft sollen sich perspektivisch auch Dritte finanziell beteiligen können. Die in dieser Woche verkündeten Batterie-Partnerschaften mit Umicore, 24M und Vulcan Energy werden dann auch über diese SE laufen.

Zu dem Werk Osnabrück, für das zuletzt ein elektrisches Cabrio im Gespräch war, hat der Aufsichtsrat noch keine Entscheidung getroffen. „Für den Standort Osnabrück wurde vereinbart, ein künftiges Produktionsprogramm und für Dresden ein Nachnutzungskonzept in der Planungsrunde 71 zu prüfen“, heißt es in der Mitteilung – also im November 2022.

Das Nutzfahrzeuge-Werk in Hannover erhält neben der Fertigung von MEB-Achsen und der Produktion des ID. Buzz die Fertigung des Artemis-Audi. Für den entsprechenden Bentley wird dort nur die Karosserie gefertigt – wie vermutet wird Porsche sein Artemis-Fahrzeug in Eigenregie bauen.

Audi-Werk Neckarsulm erhält E-Fertigung

Das könnte in Leipzig sein, denn für den sächsischen Standort erwähnte Diess zwei E-Modelle – bisher ist dort nur der elektrische Macan-Nachfolger bestätigt. Auch der Audi-Standort Neckarsulm wird elektrifiziert: Dort soll der „E6“ gebaut werden – also wohl die Serienversion des im April als Studie gezeigten PPE-Stromers A6 e-tron. Und wie schon von Audi-Chef Markus Duesmann bestätigt: Im Werk Brüssel wird als Nachfolger des e-tron quattro der Q8 e-tron gebaut.

In den spanischen Werken strebt VW wie erwartet die Fertigung von E-Kleinwagen im Werk Martorell an. In Pamplona sollen E-SUV gebaut werden, Marken oder konkrete Modelle gab Diess bei der Pressekonferenz nicht an. Beide Standorte sind aber noch „in Prüfung“, eine Entscheidung hängt auch von Förderzusagen ab.

25 Prozent BEV in 2026

Mit all diesen Maßnahmen sollen „planungsgemäß“, wie Pötsch betont, im Jahr 2026 25 Prozent aller weltweit gebauten Volkswagen Batterie-elektrisch sein. Diess prognostiziert für 2025/2026 eine operative Umsatzrendite von acht bis neun Prozent – 2021 werde man mit rund neun Millionen Fahrzeugen „am oberen Rand“ der Margen-Spanne von sechs bis 7,5 Prozent landen, so Diess.

Bei der Pressekonferenz und in den Mitteilungen wird ein möglicher Stellenabbau nicht erwähnt. Diess, der sich mit den Ergebnissen zufrieden gibt, schiebt jedoch hinterher: „Wir können diese Jahrhundert-Transformation nur stemmen, wenn wir effizient arbeiten.“

Aber nicht nur Diess gibt sich zufrieden. „Mit Blick auf die Planungsrunde darf ich zufrieden feststellen: An unseren Standorten ist die Transformation im vollen Gange“, sagt Betriebsrätin Cavallo in ihrem Statement. „Volkswagen meint es ernst mit der Transformation und stellt die Weichen dafür.“

Cavallo mahnt dennoch vor einer Durststrecke, nicht nur im laufenden Jahr, sondern auch in 2022. „Im Jahr 2021 werden wir in Wolfsburg keine 400.000 Fahrzeuge bauen“, so Cavallo. „Halbleiter werden auch 2022 ein Problem sein. Die Planungsrunde lässt sich wirklich sehen. Sie zeigt genau den richtigen Kurs. Aber die kommenden Monate werden hart.“

Ist der Führungsstreit nun beigelegt? Noch bei der Betriebsversammlung im November hatte Cavallo Diess scharf kritisiert und ihm vor allem seine „Faszination“ für Tesla und Elon Musk vorgehalten. Zumindest in diesem Konfliktpunkt zeigt sich Diess geläutert – zumindest etwas. Das Wort Tesla erwähnt er bei der Pressekonferenz selbst bei einer direkten Nachfrage nicht. Stattdessen spricht er von „einem amerikanischen Hersteller, der ein Werk nahe Berlin baut“.
Quelle: Livestream der Pressekonferenz, volkswagen-newsroom.com (Planunsrunde), volkswagen-newsroom.com (Vorstandsumbau), vwn-presse.de (Hannover)

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